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Krawalle in den USA Autopsie von George Floyd belastet Polizisten

  • Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis kommen die USA nicht zur Ruhe.
  • Erstmals hat auch New York City eine nächtliche Ausgangssperre verhängt – für die Nacht auf Dienstag.
  • In mehreren US-Metropolen ist es sechs Nächte in Folge zu Protesten gekommen, die teils in Gewalt ausarteten. In St. Louis und Las Vegas wurden Schüsse auf Polizisten abgegeben.
  • Eine Autopsie im Auftrag der Familie des Opfers ergab, dass Floyd an «Erstickung aufgrund von Nacken- und Rückenkompression» gestorben ist. Das widerspricht dem offiziellen Obduktionsbericht.

Ben Crump, der Anwalt von Floyds Familie, teilte mit, die Blutversorgung des Gehirns sei unterbrochen worden und das Gewicht auf Floyds Rücken habe die Atmung erschwert. Damit belastet Crump nicht nur den Beamten, der minutenlang auf Floyds Nacken kniete, sondern auch zwei weitere Polizisten. Insgesamt waren vier Polizisten an dem Einsatz beteiligt, zwei sollen auf Floyds Rücken gekniet haben. Crump forderte die Festnahme aller beteiligten Polizisten.

Die Familie des Opfers hatte zuvor Zweifel an der offiziellen Obduktion angemeldet. Der offizielle Gerichtsmediziner hatte auf Grundlage vorläufiger Erkenntnisse Vorerkrankungen für Floyds Tod mitverantwortlich gemacht. Er ging davon aus, dass der 46-Jährige nicht erstickte. Im Haftbefehl für den Polizisten heisst es unter anderem, Floyd habe an Gesundheitsproblemen gelitten, die gemeinsam mit der Festsetzung und möglichen Rauschmitteln im Blut vermutlich zum Tod geführt hätten.

Proteste trotz Ausgangssperren

Derweil reissen in den USA die Proteste gegen Polizeigewalt nicht ab. Trotz geltender Ausgangssperren gehen die Menschen weiter auf die Strasse. Sechs Nächte in Folge gab es Demonstrationen, die in mehreren Grossstädten erneut in Ausschreitungen übergingen.

Schüsse auf Polizisten in St. Louis und Las Vegas

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Polizisten in St. Louis.
Legende: Keystone

In St. Louis im US-Bundesstaat Missouri sind nach Polizeiangaben vier Polizisten von Schüssen getroffen worden. Der Vorfall habe sich während Auseinandersetzungen mit Demonstranten ereignet. Die Polizisten seien nicht lebensgefährlich verletzt worden und ins Krankenhaus gebracht worden. «Die Beamten schiessen immer noch in der Innenstadt», hiess es auf Twitter. Weitere Informationen würden bekannt gegeben, sobald diese zur Verfügung stünden. Einzelheiten teilte die Polizei zunächst nicht mit. So war unklar, wer die Schüsse abgegeben hat und wo genau sie fielen.

Zudem meldete die Nachrichtenagentur AP, in Las Vegas sei auf einen Polizisten während Protesten geschossen worden. Der Zustand des Polizisten sei ungewiss, hiess es unter Berufung auf die örtliche Polizei. Ein zweiter Polizist sei «an einem Schusswechsel» beteiligt gewesen. Gegenüber Reuters lehnte die Polizei eine Stellungnahme ab.

In New York, wo Tausende auf den Strassen waren, kam es in der Nacht auf Montag zu Plünderungen und zahlreichen Festnahmen. Bürgermeister Bill de Blasio verhängte daraufhin für die folgende Nacht eine Ausgangssperre. In Boston brannten Autos. Auch in Los Angeles und Philadelphia wurden Geschäfte ausgeraubt. In der Hauptstadt Washington gab es ebenfalls Randale.

US-Präsident im Bunker

Laut den sich deckenden Angaben zweier anonymer Zeugen – eines Verwaltungsbeamten und eines dem Weissen Haus nahestehenden Republikaners – wurde Donald Trump am Freitagabend vom Geheimdienst in einen Bunker des Weissen Hauses gebracht. Hunderte von Demonstranten hatten sich vor der Exekutivvilla versammelt, wobei einige von ihnen Steine warfen und an Barrikaden rüttelten. Im Bunker, der für Notfälle wie Terroranschläge vorgesehen ist, soll der Präsident dann über eine Stunde verbracht haben.

Die abrupte Entscheidung der Agenten unterstrich die aufgewühlte Stimmung rund ums Weisse Haus, wo die Sprechchöre der Demonstranten im Lafayette-Park das ganze Wochenende lang zu hören waren und Geheimdienstagenten und Vollzugsbeamte Mühe hatten, die Menschenmassen einzudämmen.

15 Staaten mobilisierten Nationalgarden

Nach Angaben des Senders CNN verhängten mindestens 40 Städte nächtliche Ausgangssperren, darunter auch Washington und New York. Der Gouverneur des Bundesstaats Arizona, Doug Ducey, erliess gar für die gesamte Woche bis zum 8. Juni eine nächtliche Ausgangssperre. Mindestens 15 der 50 US-Bundesstaaten und der Hauptstadtbezirk Washington mobilisierten die Nationalgarde, meldete CNN weiter. Die Nationalgarde gehört zur Reserve der US-Streitkräfte und kann in Bundesstaaten in Ausnahmesituationen zu Hilfe gerufen werden.

Trump machte am Sonntag linksradikale Gruppen für die Ausschreitungen verantwortlich. Er kündigte umgehend an, die Antifa solle in den USA als Terrororganisation eingestuft werden. Details liess er aber zunächst offen.

Trump fordert «härtere Gangart»

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  • Nach den Ausschreitungen in zahlreichen amerikanischen Städten ruft US-Präsident Donald Trump Bürgermeister und Gouverneure aus der demokratischen Partei zu einem schärferen Durchgreifen auf. «Legen Sie eine härtere Gangart ein», schrieb Trump auf Twitter.
  • Und er fügte hinzu: «Diese Menschen sind Anarchisten. Rufen Sie jetzt unsere Nationalgarde. Die Welt schaut zu und lacht Sie und den Schläfrigen Joe aus.» Der Republikaner Trump verunglimpft seinen voraussichtlichen Herausforderer bei der Wahl im November, den demokratischen Ex-Vizepräsidenten Joe Biden, als «Schläfrigen Joe».
  • In weiteren Tweets lobte Trump erneut den Einsatz der Nationalgarde im US-Bundesstaat Minnesota, wo die Proteste ausgebrochen waren, und mahnte, die Kräfte hätten früher angefordert werden sollen.
  • In einem anderen Tweet schrieb der Präsident in Grossbuchstaben schlicht: «Recht & Ordnung!»

Zum Antifaschismus bekennen sich zahlreiche unterschiedliche linke oder auch linksradikale Gruppen in den USA. Die Antifa hat aber keine zentrale Führungs- oder Organisationsstruktur. Trump hatte bereits im vergangenen August mitgeteilt, man erwäge ein Verbot der Gruppierung.

Floyd war am Montagabend nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota verstorben. Einer von vier beteiligten Beamten sass dem 46-Jährigen minutenlang mit dem Knie im Nacken. Die Bitten des Afroamerikaners, ihn atmen zu lassen, ignorierte er.

George Floyds Sohn wünscht friedliche Proteste

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Ein Sohn des bei einem Polizeieinsatz getöteten Afroamerikaners George Floyd hat dazu aufgerufen, bei den anhaltenden Protesten in den USA Gewalt zu vermeiden. In einem TV-Interview mit dem CNN-Tochtersender KBTX appellierte Quincy Mason Floyd an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Zugleich äusserte sich der Mann, der in Bryan (Texas) lebt, bewegt über die grosse Anteilnahme am Tod seines Vaters. «Jeder kommt und zeigt ihm Liebe. Mein Herz ist sehr berührt von all dem.»

SRF 4 News, 06:00 Uhr ; 

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