Während der laufenden Arbeiten an einem Friedensplan spricht der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski überraschend mögliche Wahlen in Kriegszeiten an. «Zu Wahlen bin ich bereit», sagte er vor Journalisten am Dienstagabend. Voraussetzung sei aber, dass die USA und Europa die Sicherheit des Landes vor künftigen Angriffen Russlands gewährleisteten.
Der Vorwurf, dass der Krieg mit Russland nicht ende, weil er sich ans Präsidentenamt klammere und die Macht nicht abgeben wolle, sei falsch, unterstrich Selenski. Trump hatte Selenski schon vor Monaten vorgeworfen, er sei ein «Diktator» und nicht demokratisch legitimiert – womit der US-Präsident den Duktus des Kremls übernahm.
Parlament soll Vorschläge machen
Er sei auch während des laufenden Krieges zu Wahlen innerhalb von 60 bis 90 Tagen bereit, sagte Selenski weiter. Neben der Klärung der Sicherheitsfrage müsse aber auch die Rechtsgrundlage für Wahlen in Kriegszeiten geschaffen werden. Er bitte daher die Abgeordneten seiner Fraktion im Parlament, Gesetzesänderungen vorzubereiten.
Ungeklärt ist die Frage, wie eine Beteiligung aller wahlberechtigten Ukrainerinnen und Ukrainer an einer Wahl gewährleistet werden kann. Mehr als 5.8 Millionen ukrainische Staatsangehörige sind nach UNO-Angaben ausser Landes geflohen, mehrere Millionen leben in russisch besetzten Gebieten.
Wie beliebt ist Selenski noch?
Die jüngsten Äusserungen Selenskis zu Wahlen seien wohl ein weiterer Schachzug in der politischen Kommunikation, schätzt Rebecca Barth, ARD-Korrespondentin in Kiew. Selenski spiele damit den Ball vor allem an die Amerikaner zurück, welche die Ukraine massiv unter Druck setzten.
Selenski spielt den Ball an die Amerikaner zurück.
Die Botschaft Selenskis, wonach Wahlen nicht ohne Sicherheit zu haben sind, sei bei vielen Beobachtern in der Ukraine sehr gut angekommen, und die Menschen stünden in dieser Frage durchaus hinter dem Präsidenten, so Barth.
In den vergangenen Monaten sei zugleich spürbar geworden, dass die Innenpolitik zumindest in einigen Aspekten in die Ukraine zurückgekehrt sei, berichtet Barth. Selenski habe durch den Korruptionsskandal innenpolitisch an Zustimmungswerten verloren. Aber er sei immer noch einer der beliebtesten, wenn nicht der beliebteste Politiker im Land, und in der Aussenpolitik stehe eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hinter ihm.
Kriegsrecht blockiert Wahlen
Das ukrainische Gesetz über das Kriegsrecht verbietet ausdrücklich das Abhalten von Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen, während das Land einem Angriff ausgesetzt ist. Das Gesetz lässt sich zwar ändern, jedoch sieht die Verfassung Parlamentswahlen erst nach der Aufhebung des Kriegsrechts vor. Verfassungsänderungen wiederum sind in Kriegszeiten verboten.