Seit Jahren schon lädt der russische Präsident Putin zum Jahresende zur grossen Jahres-Medienkonferenz ein. An der aufwändig inszenierten Propagandashow können neben geladenen Journalistinnen und Journalisten auch sorgfältig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger dem Präsident Fragen stellen. SRF-Korrespondent Calum MacKenzie war an der heutigen Veranstaltung in Moskau mit dabei.
Wie muss man sich diese Jahresmedienkonferenz von Putin vorstellen?
Da wird nichts dem Zufall überlassen. Die Fragerunden sind akribisch organisiert, um nicht zu sagen, choreografiert. Um den Austragungsort im Zentrum von Moskau sind alle Strassen abgesperrt, die Sicherheitskontrollen für den Einlass sind umfassend. Noch am Vortag mussten alle Journalistinnen und Journalisten, auch ich, einen PCR-Test auf das Coronavirus bestehen. An der Konferenz selbst wollen dann hunderte Medienschaffende aus dem ganzen Land eine Frage stellen. Das dürfen dann aber nur wenige der Anwesenden.
Welche Fragen wurden Präsident Putin denn konkret gestellt?
Die Medienschaffenden im Saal haben ihre Fragen mit meist unterwürfigen Grussbotschaften und Lob auf Putin eingeleitet. Oft waren es Fragen zu Veranstaltungen oder Bauprojekten in ihrer Region und was Putin davon halte – gar ob er sie besuchen würde.
Eine Frau aus den besetzten Gebieten in der Ukraine hat vor ihrer Frage einen längeren Vortrag gehalten über die angeblichen Verbrechen der Regierung Selenski in der Ukraine. Eine andere Journalistin wiederum hat ihre Chance genutzt, um eine Frage zu Ausserirdischen zu stellen, die vielleicht bald die Erde besuchen würden. Aus dem Saal kamen kaum kritische Fragen. Aus der Bevölkerung gab es dann aber einige Fragen zur wirtschaftlichen Situation im Land, die Inflation war ein grosses Thema, oder die Steuererhöhung, die der Kreml vor Kurzem beschlossen hat.
Wie hat Putin denn auf die Fragen zur russischen Wirtschaft geantwortet?
Putin hat jeweils zugehört und ist auf die Fragen eingegangen. Er hat auch zugegeben, dass bei gewissen Problemen etwas getan werden müsse. Oft hat er gesagt, das angesprochene Problem sei ihm schon bewusst und man gehe es an. Das sollte wohl beruhigend klingen, aber in vielen Fällen sprach er über Probleme, die Russland seit Jahren hat und die bislang nicht gelöst worden sind – schlechte Infrastruktur oder Armut im Alter zum Beispiel.
Das ist eines der Probleme mit diesen Jahreskonferenzen von Putin, sie sind sehr sorgfältig durchorchestriert, aber letztendlich melden sich die Leute jedes Jahr mit ähnlichen Themen, die aber nie nachhaltig gelöst werden.
Auf welche Art und Weise hat sich Putin zum Krieg in der Ukraine geäussert?
Es gab gewisse Fragen zu den derzeitigen Verhandlungen zum Ukraine-Krieg, vor allem von ausländischen Journalisten. Putin hat in seinen Antworten mehrmals behauptet, nicht Russland habe den Krieg angefangen, sondern der Westen. Und aus diesem Grund gebe es keinen Grund für Russland, dem Westen oder der Ukraine entgegenzukommen. Putin hat klargemacht, dass er bei seinen Maximalforderungen bleibt. Er betonte, die sogenannten «Ziele» Russlands würden erreicht. Dazu gehören etwa, dass Russland sich weitere Gebiete der Ukraine einverleibt und dass die demokratisch gewählte Regierung der Ukraine abgesetzt wird. Putin stellt also offenkundig aggressive Kriegsziele als Selbstverteidigung dar, und macht deutlich, dass ihm diese Ziele wichtiger sind, als ein Friedensplan.