Der Luftangriff Israels auf die Hamas-Spitze in Katar zeigt, dass Israel nicht mit der radikalislamischen Hamas verhandeln will. Und: Die Position der USA in der arabischen Welt wird weiter geschwächt. Dies die Analyse von USA-Spezialist Stephan Bierling.
SRF News: Gehen Sie davon aus, dass die USA vom Angriff Israels gegen die Hamas in Katar überrascht worden waren?
Stephan Bierling: Überrascht waren die USA auf jeden Fall. Wie viel vorher die US-Regierung Bescheid wusste, ist momentan noch unklar. Womöglich haben die Israelis Washington aber erst kurz vor dem Angriff informiert und dann unmittelbar zugeschlagen.
Trump zeigt sich nicht begeistert von dem Angriff. Ist das nur eine kurzfristige Verstimmung mit Israel oder steckt mehr dahinter?
Auf der einen Seite ist das US/Israel-Verhältnis auf einem Höhepunkt. Noch nie hat ein US-Präsident den Israelis quasi einen Blankoscheck erteilt und alles getan, was sie von ihm wollten. Gleichzeitig zeigen sich aber auch Brüche in diesem seit 50 Jahren bestehendem, so engen Verhältnis: Trump war schon nicht glücklich, dass Israel den Iran angegriffen hatte und ihn mit hineinzuziehen drohte, jetzt ist er unglücklich mit Katar und dem, was im Gazastreifen passiert.
Wie schnell Trumps Sicherheitsgarantien brüchig werden, hat Saudi-Arabien vor einigen Jahren erfahren.
Jetzt sieht man, wie Trump von der unbedingten Solidarität mit Israel langsam abrückt. Und wie schnell Trumps Sicherheitsgarantien brüchig werden, hat Saudi-Arabien vor einigen Jahren erfahren, als die Huthis die grösste arabische Ölanlage angriffen. Trump gab ein paar warme Worte dazu ab, ergriff aber keinerlei Sicherheits- oder Verteidigungsmassnahmen für die Saudis.
Welche Lösung will Trump denn für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern?
Trump hat keinerlei Strategie. Er hat sich bisher zu hundert Prozent hinter Netanjahu gestellt, gleichzeitig aber immer wieder versucht, zu vermitteln – zuweilen auch mithilfe Katars. Doch Trump ist nur an der kurzen Show interessiert, am kurzfristigen Effekt, an guten Fernsehbildern.
Trump fehlt es an persönlichem Interesse, an Kompetenz, an Durchhaltevermögen.
Er hat keinen einzigen der Konflikte, von denen er behauptet, sie befriedet zu haben – und deshalb für den Friedensnobelpreis prädestiniert sei –, dauerhaft bearbeitet oder gelöst. Es fehlt Trump an persönlichem Interesse, an Kompetenz, an Durchhaltevermögen. Ausserdem ist er von Leuten umgeben, die punkto Aussenpolitik nicht einmal zur zweiten Garde zählen, sondern eher zur dritten oder vierten.
Ein Bruch der Souveränität Katars – mit ungeahnten Konsequenzen für die Dynamik im Nahen Osten.
Und wie stehen die USA nach dem israelischen Angriff in Katar in der arabischen Welt da?
Sie sind blamiert – und niemand weiss, wie viel Einfluss die Amerikaner überhaupt noch haben. Offenbar können die USA die Israelis nicht einmal mehr davon abbringen, den Iran und jetzt Katar anzugreifen. Nicht, dass die arabische Welt die Katarer sehr mögen – wegen deren Unterstützung der Muslimbruderschaft sind sie nicht sehr beliebt – aber jetzt gibt es einen Schulterschluss. Die Israelis haben mit dem Angriff in Katar einen Tabubruch begangen, sie haben einen Verbündeten der Amerikaner direkt angegriffen – auch wenn es natürlich gegen die Hamas ging. Aber es ist ein Bruch der Souveränität Katars, und das kann ungeahnte Konsequenzen für die Dynamik im Nahen Osten haben.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.