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Kritik aus dem Westen Warum die internationale Unterstützung für Israel schwindet

Israels Vorgehen in Gaza sorgt international für Kritik – auch in Ländern, die bislang an seiner Seite standen. Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Grossbritannien und Kanada sprechen von einer «völlig unverhältnismässigen Eskalation» – und warnen das Land vor Konsequenzen. Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF, erklärt, warum der Wind gerade jetzt dreht.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Warum verschärft sich der Ton gegenüber Israel?

Frankreich, Grossbritannien und Kanada kritisieren die Regierung Netanjahu in bislang ungekannter Schärfe. Hauptsächlich, weil Israel bei seinem grundsätzlich durchaus legitimen Vorgehen gegen die Terrororganisation Hamas immer weiter geht und immer rücksichtsloser handelt.

Jean-Noël Barrot
Legende: Falls Israel die Militäroffensive nicht stoppe und keine weitere humanitäre Hilfe in den Gazastreifen lasse, werde dies Konsequenzen haben, erklärte der französische Aussenminister Jean-Noël Barrot. Keystone / EPA / Neil Hall

Es geht im Wesentlichen um drei Punkte: Kriegsverbrechen, also viel zu wenig Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung bei Angriffen auf die Hamas; die Besetzung oder die Absicht, ganz Gaza zu besetzen, mit Vorstellungen, den palästinensischen Küstenstreifen zu annektieren; sowie die Verweigerung humanitärer Hilfe. Denn diese zu ermöglichen, ist gemäss den Genfer Konventionen keine Option, sondern Pflicht. Deswegen ist die Haltung in immer mehr Ländern: Es reicht. Man fordert Mässigung von Netanjahu.

Welche Werte sehen Frankreich, Grossbritannien und Kanada gefährdet?

Generell geht es um das Völkerrecht und die fehlende Bereitschaft der israelischen Regierung, einen palästinensischen Staat zu ermöglichen. Diese Variante sehen die UNO, die Europäer und die meisten Länder der Welt vor. Bis vor Kurzem forderten auch die USA eine solche Zweistaatenlösung.

Zudem geht es um das humanitäre Kriegsvölkerrecht und die Menschenrechte. Aus Sicht vieler europäischer Länder verabschiedet sich Israel zunehmend von den Prinzipien der UNO-Charta. Es wendet sich von der UNO ab, sieht diese als Gegner. Es kehrt dem Menschenrechtsrat den Rücken und kritisiert den obersten UNO-Gerichtshof aufs Schärfste. Zudem verbietet Israel dem Palästinenserhilfswerk UNWRA jegliche Tätigkeit im eigenen Land.

Kennt auch die Unterstützung der Amerikaner Grenzen?

Es scheint, dass die Regierung Netanjahu von ihren Plänen in Gaza nicht abrücken will, solange die USA Israel unterstützen. Ganz so umfassend, wie das noch vor Kurzem schien, ist die Unterstützung durch die Trump-Regierung jedoch nicht mehr. Ein Beispiel dafür sind Trumps Verhandlungen mit dem Iran über ein neues Atomabkommen. Damit ignoriert er im Grunde die Forderung von Israel, auf Verhandlungen zu verzichten und das iranische Atomprogramm militärisch auszuschalten.

Trump mit dem Emir von Katar (14. Mai)
Legende: Signalwirkung hatte auch Trumps Nahostbesuch vergangene Woche: Er reiste in die Golfstaaten, nicht aber nach Israel. Das ist eher ungewöhnlich für einen amerikanischen Präsidenten. Keystone / AP / Alex Brandon

Allerdings: Die Trump-Regierung wird auch die rechte bis rechtsextreme israelische Regierung nicht einfach fallen lassen. So steht etwa keine Drohung im Raum, die Waffenlieferungen an Israel einzustellen.

Bereitet die Entwicklung der israelischen Bevölkerung Sorge?

Auf der einen Seite gibt es einen breiten Konsens in Israel, dass die Hamas als militärische Grösse ausgeschaltet werden muss. Nach dem grausamen Überfall vom 7. Oktober 2023 ist das verständlich. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist enorm. Umstritten ist aber in der Bevölkerung, ob die israelischen Streitkräfte dieses Ziel nicht im Wesentlichen schon erreicht haben und ob eine vollständige Auslöschung der Hamas überhaupt möglich ist. Jedenfalls hat die aktuelle Regierung in Israel derzeit laut Umfragen keine Mehrheit mehr. Zumal ihr auch angekreidet wird, viel zu wenig zu unternehmen, um die letzten noch überlebenden Geiseln freizubekommen.

Rendez-vous, 20.5.2025, 12:30 Uhr ; 

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