Erneut sorgt ein Fall von rechtsextremen Polizisten in Deutschland für Schlagzeilen. 29 Beamte wurden in Nordrhein-Westfalen freigestellt. Sie sollen in mehreren Chatgruppen rechtsextreme Propaganda verbreitet haben. Der Polizeigewerkschafter Michael Maatz betont, die Fälle von Rechtsextremismus bei der Polizei beträfen eine verschwindend kleine Minderheit von Beamten.
SRF News: Wie haben Sie am Mittwoch reagiert, als Sie vom neusten Fall von Rechtsextremismus bei Polizisten erfahren haben?
Michael Maatz: Wir sind geschockt und ein Stück weit auch fassungslos.
Wie gross ist der Image-Schaden für die Polizei in Nordrhein-Westfalen?
Der ist enorm. Wir werden viel Zeit brauchen, um wieder Vertrauen aufzubauen.
Von rechtsextremen Vorwürfen sind in NRW derzeit rund 50 Polizisten betroffen – bei einem Bestand von 50'000.
In Deutschland wurde in der Vergangenheit immer wieder betont, dass es sich um Einzelfälle handle. Doch mittlerweile scheint die Häufigkeit der Fälle von Rechtsextremismus unter Polizisten ein grösseres Problem zu sein. Sehen wir nur die Spitze des Eisberges?
Allein in Nordrhein-Westfalen arbeiten rund 50'000 Personen bei der Polizei. Zusammen mit dem neusten Fall betrifft der Kreis der von rechtsextremen Vorwürfen betroffenen Polizisten rund deren 50. Das sind 0.1 Prozent des gesamten Polizeikorps. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen versehen ihren Dienst ordnungsgemäss und distanzieren sich von Rechtsextremismus. Dieser hat bei der Polizei ganz klar nichts zu suchen.
Beim neusten Fall in Nordrhein-Westfalen sollen 29 Beamte involviert sein, es geht um mehrere Chatgruppen, die zum Teil seit 2012 existieren. Wie kann es sein, dass so etwas nicht auffällt?
Man muss sich diese Chatgruppen jetzt genauer anschauen. Ob dort tatsächlich seit 2012 rechtsextremes Gedankengut ausgetauscht wurde, wissen wir im Moment noch nicht. Es kann durchaus sein, dass der Chat für den normalen persönlichen Austausch ins Leben gerufen wurde und dort erst ab einem bestimmten Zeitpunkt auch andere Sachen verbreitet wurden. Die Ermittlungen dazu stehen noch ganz am Anfang.
Wir dürfen nicht die gesamte Polizei in Deutschland als rechtsextrem darstellen.
Der aktuelle Fall ist bloss der letzte in einer ganzen Reihe ähnlicher Fälle von Rechtsextremismus in deutschen Polizeikorps. Hat die deutsche Polizei ein Problem?
Der Grossteil der Polizistinnen und Polizisten hat damit nichts zu tun. Es sind einige wenige Fälle, die jetzt bekannt geworden sind. Diese müssen lückenlos aufgeklärt werden und auch entsprechende Konsequenzen haben. Doch wir dürfen jetzt nicht die gesamte Polizei in Deutschland als rechtsextrem darstellen.
Wir müssen sicherstellen, dass wir die richtigen jungen Menschen zur Polizei holen.
Was muss getan werden, damit keine ähnlichen Fälle mehr vorkommen?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es fängt mit der richtigen Personalauswahl an. Auch wenn wir bereits ein sehr gutes Auswahlverfahren haben, müssen wir uns dieses anschauen und sicherstellen, dass wir die richtigen jungen Menschen zur Polizei holen. In der Ausbildung müssen die jungen Kollegen zudem noch stärker sensibilisiert werden. Ausserdem müssen wir bei der regelmässigen Fortbildung der Polizeibeamten den Finger immer wieder in diese Wunde legen. Neu sind in Nordrhein-Westfalen auch vom Innenministerium eingesetzte sogenannte Extremismus-Beauftragte im Einsatz.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.