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Parteitag in Liverpool Der britische Premierminister Keir Starmer ist angezählt

Keir Starmer ist erst ein gutes Jahr an der Macht. Doch seine Autorität hat sich bereits mehr oder weniger aufgelöst und seine Umfragewerte sind unterirdisch. Gemäss Umfrage ist Starmer in Grossbritannien mittlerweile der unpopulärste führende Politiker.

An der mehrtägigen Labour-Parteikonferenz in Liverpool versucht der angeschlagene Premierminister, das Steuer herumzureissen. Ob er das noch schaffen kann und wie, das weiss Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Weshalb ist Starmers Popularität so tief gefallen?

Mit der Entlassung seiner Stellvertreterin Angela Rayner (wegen Steuerhinterziehung) und der Entlassung des britischen Botschafters in Washington (wegen der Freundschaft mit dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein) hat Starmer jüngst gerade zwei politische Nahtoderfahrungen überlebt. In der Folge hat er sein ganzes Kabinett umgebaut. Unverändert auf Posten ist lediglich Starmer. Viele Labour-Mitglieder fragen sich jedoch zunehmend, ob der Mann im Steuerhaus wirklich die richtige Person ist, um eine Frontalkollision mit dem wachsenden Unmut der Wählerinnen und Wähler zu verhindern.

Was macht Starmer falsch?

Er hat von der konservativen Vorgängerregierung unbestritten einen Scherbenhaufen übernommen. Die öffentlichen Infrastrukturen sind in einem maroden Zustand, die Staatskasse hoch verschuldet. Die Wirtschaft hat sich bis heute nicht vom Brexit und der Pandemie erholt. Starmer ist im vergangenen Sommer in Downing Street mit dem Versprechen eingezogen, das Land zu sanieren. «Change» lautete sein Wahlslogan. Auf der internationalen Bühne hatte Starmer tatsächlich einige Erfolge verbucht: Mit einer Charmeoffensive konnte er einen Draht zu Donald Trump etablieren und ebenso das zerrüttete Verhältnis zur EU normalisieren.

Person in Anzug mit Brille, klatschend vor rotem Hintergrund.
Legende: Seine Umfragewerte im Keller, seine Autorität angeschlagen: der britische Premier Keir Starmer. IMAGO / News Licensing

Doch Politik lebt in erster Linie von der Wahrnehmung des heimischen Publikums. Und hier liegt sein Problem. Innenpolitisch wirkt Starmer eher wie ein Premierminister, der die Kontrolle verloren hat. Der ehemalige Staatsanwalt hat viele Fähigkeiten, aber die erfolgreiche Kommunikation, wohin er Grossbritannien führen will, gehört bis heute nicht dazu.

Ist Starmer noch zu retten?

Die Umfragewerte von Labour sind alarmierend: Nur noch weniger als 20 Prozent der Britinnen und Briten würden die Partei heute wählen. Ein Niveau, das zuletzt unter dem langjährigen Ex-Labour-Chef und Oppositionsführer Jeremy Corbyn erreicht wurde. Doch diesmal ist es nicht der linke Flügel, der die Partei spaltet, sondern der eigene Premierminister: Viele traditionelle Labour-Wähler machen Keir Starmer persönlich für den Niedergang verantwortlich.

Parteitage sind normalerweise glanzvolle Selbstinszenierungen, eine Bühne, auf der die Partei sich den Wählerinnen und Wählern als geschlossene, zukunftsweisende Kraft präsentiert. Doch der Parteitag in Liverpool ist eher eine Überlebensübung. Starmer wird in seiner Parteitag-Rede alles daransetzen, seine schwindende Autorität zurückzugewinnen. Ein Sturz Starmers ist diese Woche zwar nicht zu erwarten. Doch er ist angeschlagen. Sollte Labour bei den Regionalwahlen im Mai 2026 erneut massiv Sitze verlieren, könnte seine Zeit in der Downing Street schnell einmal ablaufen.

Könnte Nigel Farage der nächste britische Premier sein?

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Bis zu den nächsten Wahlen in rund drei Jahren kann noch viel passieren. Wenn die Britinnen und Briten jedoch heute wählen würden, könnte Nigel Farage durchaus in Downing Street einziehen. Die etablierten Parteien – die linke Labour Party und die konservativen Tories – liefern den Wählerinnen und Wählern offenkundig nicht mehr die gewünschten Antworten.

Nigel Farage hat dieses Vakuum erfolgreich gefüllt. Insbesondere die ungebremste Einwanderung ist das Elixier, das seiner Partei, der Reform UK, solchen Auftrieb brachte. Farage verspricht, das Problem innert zwei Wochen zu lösen, sollte er Premierminister werden. 600'000 Menschen, die sich irregulär in Grossbritannien aufhalten, will er in ihre Herkunftsländer ausschaffen. Wie er das rechtlich und logistisch umsetzen will, lässt er offen.

Zudem reduziert er rhetorisch die Migrationsdebatte auf den Asylbereich, obwohl dieser lediglich einen Bruchteil der Einwanderung ausmacht. Dies scheint dem Erfolg seiner Politik jedoch nicht zu schaden.

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