Wladimir Putin hat seinen Verteidigungsminister Sergei Schoigu entlassen – mehr als zwei Jahre nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Auf Schoigu soll der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow folgen. SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie erklärt, was es mit der Rochade auf sich hat.
Warum muss Schoigu gehen?
Der Verteidigungsminister galt schon lange als angeschlagen. Die diversen Probleme, die die russische Armee seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine erlebt, wurden weitgehend ihm zugeschrieben: insbesondere Versorgungsengpässe und andere logistische sowie organisatorische Probleme. Der Aufstand von Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Truppen im vergangenen Sommer richtete sich vor allem gegen Schoigu. Obwohl Prigoschin am Ende der Verlierer war, war dieser Aufstand auch ein Ausdruck der Unbeliebtheit Schoigus bei den Militärs und Soldaten. Das blieb an ihm haften. Jüngst wurde er durch einen Korruptionsfall in seinem Verteidigungsministerium weiter geschwächt.
Wer ist der neue Mann Belousow ?
Andrej Belousow ist Ökonom und bekleidete bereits verschiedene Funktionen in Putins Regierung. Er gilt als effizienter und fähiger Technokrat. Und er hat sich seit Kriegsbeginn als einer der führenden Denker hinter der neuen Kriegswirtschaft profiliert. Er steht hinter der Idee, dass die gesamte russische Wirtschaft durch massive Investitionen in die Rüstungsindustrie angekurbelt und selbständig gemacht werden kann. Belousow soll Putin nahestehen. Er hat aber keine militärische Erfahrung, was für einen Verteidigungsminister ungewöhnlich ist.
Was erhofft sich Putin von diesem Wechsel?
Da Belousow kein Soldat ist, ist nicht zu erwarten, dass er für die Strategie auf dem Schlachtfeld in der Ukraine zuständig sein wird. Diese Aufgabe wird womöglich noch weiter an den Generalstab ausgelagert, und es bleibt abzuwarten, ob Waleri Gerassimow bleiben wird, der Stabschef und ein Verbündeter Schoigus. Belousow soll die logistischen Probleme lösen, was Schoigu nicht gelungen war. Und er soll die Zusammenarbeit zwischen der russischen Wirtschaft und der russischen Armee noch weiter ausbauen und verstärken. Es ist ein weiteres Zeichen, dass sich der Kreml auf einen langen Krieg vorbereitet und einen grossen Teil des Staates umkrempelt, um den Krieg gegen die Ukraine weiterführen zu können.
Kommt es zu weiteren Wechseln?
Ja. Da Putin eine neue Amtszeit angetreten hat, musste er ein neues Kabinett ernennen. Vieles ist gleich geblieben: Insbesondere Premierminister Michail Mischustin bleibt in seinem Posten – er geniesst offenbar Putins Vertrauen. Auch Sergei Lawrow bleibt als Aussenminister, obwohl man ihm schon lange nachsagt, er wolle nicht weitermachen. Schoigu wird zudem nicht ganz in Rente geschickt. Er wird neu Sekretär des Sicherheitsrats – eine Art ehrenhaftes Abstellgleis. Mit dieser Ernennung verliert Nikolai Patruschew seinen Posten: ein einflussreicher Falke und ein enger Vertrauter Putins. Wo er nun eingesetzt wird, bleibt abzuwarten, aber sein Einfluss dürfte auch im Hintergrund nicht nachlassen.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Patruschews Sohn wurde derweil zum Vizepremierminister ernannt. Ausserdem wurde der Sohn von Jurij Kowaltschuk zum Chef der Rechenkammer ernannt. Kowaltschuk ist ein enger Vertrauter Putins und einer der mächtigsten Oligarchen Russlands. Es kann sein, dass wir hier eine Art Nachfolgeregelung beobachten, in der die Söhne prominenter Putin-Anhänger nun auch in die Regierung geholt werden.