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Ratlosigkeit in Haiti Mehr Fragen als Antworten zum Mord am haitianischen Präsidenten

Noch ist unklar, weshalb Präsident Moïse ermordet wurde. Zwei Vertreter der haitianischen Exilgemeinde diskutieren über die momentane und die künftige Lage.

In den Strassen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sei die Lage derzeit ruhig, aber angespannt, sagt der haitianische Politologe Robert Faton, der an der University of Virginia lehrt. Das Land stehe unter Schock und versuche zu begreifen, was genau passiert sei, sagt auch Garry Pierre-Pierre, Chefredaktor der Haitian Times in New York.

Einig sei man sich: Was die haitianische Polizei bisher als Tathergang präsentiert habe, seien Lügen. Im Moment sei völlig unklar, wer genau das Attentat in Auftrag gegeben habe, sagt Politologe Faton. Denn der unpopuläre Moïse habe unter den Politikern Haitis viele Feinde gehabt. Der Journalist Garry Pierre-Pierre glaubt, hinter dem Anschlag steckten keine politischen Motive. Es gehe vielmehr um Macht und Geld.

Ungereimtheiten beim Tathergang

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Kolumbianische Söldner seien im Auftrag eines mysteriösen Arztes aus Florida ins Schlafzimmer des Präsidenten eingedrungen. Das sei nicht möglich, so Garry Pierre-Pierre. Zum einen sei der angebliche Drahtzieher ein notorischer Hochstapler ohne Geld. Zum anderen sei es völlig unglaubwürdig, dass die kolumbianischen Söldner keinen Fluchtplan besassen und umgehend verhaftet werden konnten. Denn die haitianische Polizei sei nicht nur korrupt, sondern auch unfähig. Politologe Robert Faton stimmt dem zu.

Haitis Wirtschaft werde kontrolliert von einer kleinen weissen Elite europäischen Ursprungs. Präsident Moïse, der wie die meisten haitianischen Politiker schwarz war und dem Mittelstand entstammte, habe sich wie viele andere zwar auch illegal bereichert, aber er habe auch versucht, die wirtschaftlichen Monopole der weissen Elite aufzubrechen.

Pakt zwischen Elite und Politik

In Haiti gebe es traditionell einen Pakt zwischen Elite und Politik, der die Einflusssphären klar abstecke. Diese würden dann mithilfe von kriminellen Gangs abgesichert. Wenn es wie in den letzten Wochen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen diesen Gangs komme, sei dies ein klarer Hinweis darauf, dass dieser Pakt gebrochen worden sei.

Wie soll es nun weitergehen in Haiti? Faton ist überzeugt, eine erneute internationale Intervention, wie sie bereits von einigen einflussreichen Haitianern gefordert werde, würde diesen internen Konflikt nicht lösen, sondern bloss wieder übertünchen.

Die Geschichte zeige, kaum zögen die internationalen Truppen wieder ab, sei alles wieder wie vorher. Das war 1994 nach der US-Intervention so und auch vor vier Jahren, als die UNO-Truppen wieder abgezogen wurden.

Haiti brauche deshalb keine ausländischen Soldaten, sondern Expertinnen, die mithelfen würden, endlich stabile staatliche Institutionen aufzubauen, zum Beispiel eine unabhängige Justiz. Die Forderung von US-Präsident Biden nach raschen Neuwahlen, noch bevor es einen funktionierenden Staat gebe, sei völlig verrückt. 

Die internationale Gemeinschaft müsse sich deshalb zurückhalten, und die haitianischen Politiker müssten sich zusammenraufen, eine Übergangsregierung der nationalen Einheit bilden und die internen Probleme selber lösen. Eine hehre Forderung angesichts der Tatsache, dass sich Haitis Politiker derzeit nicht einmal auf einen Übergangspräsidenten einigen können.

Echo der Zeit, 15.07.2021, 18 Uhr

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