Zum Inhalt springen

Rede zur Lage der Nation «Trump spielt weiterhin die chauvinistische Karte»

In der Rede zur Lage der Nation hat US-Präsident Donald Trump zu politischer Einigkeit aufgerufen. USA-Kenner Josef Braml bezweifelt jedoch, dass diese Worte in der Realität eine Rolle spielen werden. Trump sei im Wahlkampfmodus.

Joseph Braml

Politologe und USA-Kenner

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er ist Autor des Buches «Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit». Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog .

SRF News: Wie hat sich der US-Präsident in diesem für ihn eher schwierigen Klima geschlagen?

Josef Braml: Er hat eine sehr gute Wahlkampfrede gehalten. Er ist im Wahlkampfmodus und hat sehr viel getan, um die Demokraten in die Bredouille zu bringen.

Was ist Ihnen besonders aufgefallen?

Aufgefallen ist mir, dass er Israel in Zusammenhang mit dem Iran erwähnt hat. Da mussten sich auch viele Demokraten von ihren Sitzen erheben. Es geht ja um die Sicherheit Israels und das Ganze wurde geschickt mit dem Holocaust und der deutschen Geschichte verbunden. Trump hat gesagt, dass die USA für diejenigen stehen, die die Freiheit vorantreiben und dabei hat er das eine mit dem anderen vermischt.

Trump ist derjenige, der den Kongress weiterhin unter Druck setzen kann.

Selbst die Abtreibungsfrage – das wäre der nächste grössere Komplex – wurde mit dem Recht auf Leben verbunden und auch da hat er die Demokraten in die Bredouille gebracht. Seine Basis, die christliche Rechte, hingegen hat er heiss gemacht. Sie hat ihn aus genau diesem Grund gewählt. Dazu kommt diese Grenzmauer. Auch das wird für die Demokraten nicht einfach.

Bleiben wir bei der Grenzmauer. Warum hat er nicht erklärt, wie er sie finanzieren will?

Ich weiss nicht, wer so was von Donald Trump erwartet hat. Ich persönlich erwarte nur 140 Zeichen. Im Ernst: Trump ist derjenige, der den Kongress weiterhin unter Druck setzen kann. Er hat ja nach wie vor die Möglichkeit, den Haushalt zu bremsen, um seine knapp sechs Milliarden Dollar zu bekommen. Er hat deutlich gemacht, warum das sein muss. Und warum die Demokraten mehr für Sicherheit tun müssen.

Dieser Wolf hier hat keinesfalls Kreide gefressen. Nein.

Nicht zuletzt haben die Demokraten die Schwierigkeit, dass es viele gewerkschaftsnahe demokratische Wählerinnen und Wähler gibt, die auch keine Einwanderung wollen, weil sie fürchten, dass die Löhne weiter nach unten gedrückt werden. Das hat Trump auch sehr geschickt angesprochen.

War das eine Art Zugehen auf die Demokraten? Können im Hintergrund noch Verhandlungen über die Grenzmauer stattfinden ?

Wenn Sie das glauben, glauben Sie auch an das Märchen vom Rotkäppchen, als es den Wolf gesehen hat. Dieser Wolf hier hat keinesfalls Kreide gefressen. Nein. Donald Trump bleibt Donald Trump. Er ist auf hartem Spaltkurs. Er will die Wiederwahl mit seinen Spaltthemen erreichen.

Wenn ich Sie richtig verstehe, sagen Sie, dass es trotz aller Einigkeit, die er beschworen hat, in der Realpolitik anders aussehen wird?

Haben Sie schon einmal eine Rede eines amerikanischen Präsidenten gehört, der nicht von Einigkeit gesprochen hat? Ich nicht. Trump redet viel von Einigkeit. Ich habe die Substanz herausgehört und die deutet auf Spaltung hin.

Für Trump kam die Rede zur Lage der Nation zu einem guten Zeitpunkt, weil seine Umfragewerte derzeit so tief sind wie noch nie. Konnte er die Gelegenheit nutzen?

Trumps Umfragewerte sind nicht so schlecht. Er hat ohnehin nie grosse Beliebtheitswerte gehabt. Er wurde gewählt, weil die Amerikanerinnen und Amerikaner die Pest der Cholera vorgezogen haben.

Trump wurde gewählt, weil die Amerikaner die Pest der Cholera vorgezogen haben.

Hillary Clinton war noch unbeliebter. Er muss weiterhin zusehen, dass er der Basis der christlich rechten Evangelikalen und den konservativen Katholiken das liefert, was sie brauchen. Das sind Richter, die für das Recht auf Leben einstehen, gegen Abtreibung. Und er spielt weiterhin die chauvinistische Karte. Damit hält er seine Basis am Leben und kann sie sogar um demokratische Wähler erweitern.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

Meistgelesene Artikel