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Regierungsbildung in Israel Netanjahus Ziehsohn könnte den Mentor stürzen

Bei der Regierungsbildung in Israel wollen die Gegner von Benjamin Netanjahu eine weitere Amtszeit des wegen Korruption vor Gericht stehenden Premiers verhindern. Doch noch ist offen, ob eine Regierung unter Naftali Bennett tatsächlich zustande kommt, wie SRF-Korrespondentin Susanne Brunner sagt.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Susanne Brunner und Informationen zu ihrer Person.

SRF News: Wer ist Naftali Bennet, der möglicherweise neuer israelischer Premierminister wird?

Susanne Brunner: Bennett ist der Sohn jüdisch-amerikanischer Eltern. Er wuchs in Kanada, in den USA und in der israelischen Hafenstadt Haifa auf. Nach seinem Militärdienst als Offizier in der israelischen Armee gründete er in den USA eine Software-Firma, mit der er Multimillionär wurde. Danach kehrte er nach Israel zurück, wo Benjamin Netanjahu sein politischer Mentor wurde.

Naftali Bennett ist Hardliner und Pragmatiker zugleich.

Bennett diente Netanjahu unter anderem als Erziehungs- und Verteidigungsminister. Als Politiker ist Bennett Pragmatiker und Hardliner zugleich: Er ist gegen einen palästinensischen Staat, befürwortet die Annektion weiter Teile des Westjordanlandes und brüstete sich auch schon damit, er habe viele Araber getötet. Er will aber auch, dass die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten weniger schikaniert wird – also weniger Checkpoints, zum Beispiel. In Israel setzt er sich für mehr wirtschaftliche Gerechtigkeit ein.

Wieso wendet sich Bennett jetzt gegen Netanjahu?

Wenn zwei so eng zusammenarbeiten wie das Netanjahu und Bennett getan haben, gibt es auch Streitpunkte. Bennett verliess also Netanjahus Likud und gründete eine eigene Partei. Das stiess Netanjahu sauer auf, trotzdem war Bennetts Partei noch Teil der Netanjahu-Koalition. 2018 wollte Bennett nochmals Verteidigungsminister werden. Netanjahu gab ihm einen Korb und übernahm das Amt gleich selbst.

Netanjahus Frau Sara soll Bennett auf dem Kieker haben.

Israelische Medien berichten seit Jahren, dass Netanjahus Frau Sara Bennett auf dem Kieker hatte, dass er zehn Jahre lang nicht mehr bei den Netanjahus zu Hause eingeladen war. Eine Kränkung für Bennett – und nun sieht er eine einmalige Gelegenheit, selbst Premier zu werden.

Israel war fast zwei Wochen im Krieg mit der Extremistenorganisation Hamas in Gaza, in israelischen Städten kam es zu Gewalt zwischen jüdischen und arabischen Einwohnern. Wieso will Bennett einen Regierungswechsel in dieser Krisensituation?

Der Krieg mit der Hamas begann ja ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als Bennett seine Bereitschaft zeigte, Teil einer Regierung ohne Netanjahu zu sein. Als der Krieg begann, brach Bennett die Koalitionsverhandlungen mit den Netanjahu-Gegnern ab, und es sah aus, als würde er wieder ins Netanjahu-Lager zurückkehren.

Bennett realisierte, dass die jüngste Gewalteskalation Netanjahu nicht gestärkt hat.

Doch er realisierte, dass die jüngste Gewalteskalation Netanjahu nicht stärkte: Die israelische Bevölkerung weiss, dass auch der x-te Krieg mit der Hamas für sie nichts Entscheidendes verändert hat. Deshalb wohl getraut sich Bennett nun doch wieder, am Stuhl Netanjahus zu sägen.

In Israel gab es bei der Regierungsbildung in den letzten Monaten immer wieder Überraschungen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass es diesmal mit einer neuen Regierung klappt?

Ob eine Anti-Netanjahu-Koalition zustande kommt oder nicht, hängt im Wesentlichen von Bennett und Netanjahu ab: Kippt Bennett wieder – wie schon so oft – und unterstützt im letzten Moment doch Netanjahu? Oder gelingt es Netanjahu – dem Meister politischer Schachzüge, auch wenn er schachmatt ist – die Koalition Bennetts doch noch zu verhindern?

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

SRF 4 News, Rendez-vous vom 31.5.2021, 12.30 Uhr ; 

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