Die Militärregierung von Myanmar hat nach eigenen Angaben eine weitere Betrugsfabrik an der Grenze zu Thailand gestürmt. Bei der Aktion seien rund 350 Ausländerinnen und Ausländer festgenommen worden. Zudem habe man rund 10'000 Mobiltelefone beschlagnahmt.
Wenn die Täter auch Opfer sind
Vor wenigen Wochen wurde bereits eine andere Betrugsfabrik in Myanmar gestürmt. In dem Land gibt es etliche solcher Fabriken, von denen aus weltweit Leute über das Internet betrogen werden. Beispielsweise mit vorgetäuschten Liebesbeziehungen oder mit betrügerischen Geschäften rund um Krypto-Währungen.
Die Betrugszentren sind bekannt dafür, dass sie unter falschen Vorwänden Arbeitskräfte aus anderen Ländern anwerben, indem sie ihnen legitime Jobs versprechen. Betroffen sind vor allem Chinesinnen und Chinesen, aber auch Menschen aus anderen asiatischen Ländern und aus Afrika.
Einmal in der Betrugsfabrik angekommen, werden viele gefangen gehalten und unter Androhung von Strafe und Folter zum Betrug gezwungen.
China macht Druck auf Militärjunta
Die Propagandamedien der Militärjunta berichten ausführlich über die Razzien. «Dabei dürfte es auch darum gehen, eine Botschaft an die Aussenwelt zu senden», schätzt Martin Aldrovandi, SRF-Korrespondent in Bangkok.
Adressat ist vor allem die chinesische Regierung. Peking fordert nämlich ein hartes Vorgehen gegen die Betrugszentren, die häufig von chinesischen Verbrechersyndikaten geführt werden.
In weiten Teilen Myanmars herrscht Bürgerkrieg. Die Grenzregion zu Thailand wird von der «Border Guard Force» (BGF) kontrolliert. Die Miliz will an der Razzia beteiligt gewesen sein, obwohl weithin angenommen wird, dass sie selbst von den Betrügereien profitiert.
Will die Militärjunta wirklich durchgreifen?
«Der BGF wird schon lange nachgesagt, dass sie sich an den kriminellen Machenschaften bereichert», sagt Aldrovandi. Laut Berichten sind die Chefs der Fabriken vor der Razzia gewarnt worden und konnten sich rechtzeitig absetzen.
Das deckt sich mit Aldrovandis eigenen Recherchen. Im vergangenen Jahr konnte er mit einem Ex-Mitarbeiter eines Betrugszentrums sprechen: «Er erzählte mir, dass die Chefs in der Regel von den Behörden gewarnt werden – und das auch in anderen Ländern der Region wie Kambodscha, Laos und den Philippinen.»
Laut dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) sollen Betrugszentren jährlich knapp 40 Milliarden US-Dollar Gewinn erwirtschaften. Die meisten von ihnen sind in Südostasien ansässig.
Aldrovandi ist denn auch skeptisch, ob die Militärjunta die kriminellen Strukturen wirksam bekämpfen kann – und will. Zudem profitierten verschiedenste Gruppen von dem Betrug. Diesen zu unterbinden, sei oft auch gegen die eigenen Interessen.