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Russland-Nordkorea-Gipfel Ein Erfolg für Kim Jong-un

Das erste Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un als «historisch» zu bezeichnen, wie manche es tun, ist etwas übertrieben. Aber es handelte sich um einen Gipfel, bei dem eigentlich nichts schiefgehen konnte – und auch nichts schiefging, zumal die Erwartungen sehr gering waren.

Mehr «brüderliche Zuneigung» für Pjöngjang

Für Nordkoreas Regime war der Gipfel bereits ein Erfolg, bevor er überhaupt begann. Es reichte, dass er stattfand. Pjöngjang hat wenig Freunde. Umso wichtiger ist, dass sich nun – neben China – eine weitere Grossmacht zu «brüderlicher Zuneigung» bekennt, wie es nach dem Treffen hiess.

Nordkorea kann nur gewinnen, wenn die alten Bande mit Russland aus dem Kalten Krieg wieder enger geknüpft werden. Zumal Putin nicht ernsthaft Druck auf Kim aufsetzt, auf seine Atombomben zu verzichten. Sie stören zwar auch die Führung in Moskau. Jedoch nicht so sehr, dass sie für zusätzliche Sanktionen einträte.

Kim kann Zugeständnisse auf die lange Bank schieben

Im Gegenteil: Es kommt Pjöngjang zupass, dass die Russen fordern, die Sanktionen zu lockern, bereits für kleinste Abrüstungsschritte. Und dass sie die zentrale Forderung des Kim-Regimes nach Sicherheitsgarantien als Gegenleistung für ein Verschrotten der Atombomben teilen. Wobei auf dem Putin-Kim-Gipfel nicht klar wurde, worin diese Sicherheitsgarantien genau bestehen müssten – sollen es amerikanische sein? Oder multilaterale? Zudem: Welche genau? Und in welchem Kreis ausgehandelt?

Selbst diese Vagheit kommt Kim Jong-Un entgegen. Sie erlaubt ihm, die Lage auszusitzen und mit greifbaren Zugeständnissen zu warten.

Pekings und Moskaus gemeinsame Interessen

Auch Nordkoreas Schutzmacht China äusserte sich erfreut über das Treffen. Man sei glücklich, wenn die beiden Länder ihre Kooperation verstärkten. Die chinesische Führung betonte überdies, wie eng Moskau und Peking in der Nordkoreafrage zusammenarbeiten.

Was durchaus zutrifft. Beide Hauptstädte lehnen neuerliche Sanktionsverschärfungen ab. Und beide Staaten unterlaufen, gemäss Berichten des UNO-Sanktionskomitees, die bisherigen Boykotte zumindest punktuell.

Dazu kommt: Während Kim, dank engerer Zusammenarbeit mit Russland, eine Chance sieht, seine fast totale Abhängigkeit von China zu reduzieren, macht man sich in Peking darüber offenbar keine Sorgen. Man weiss um die eigene Wirtschaftspotenz und die russische Schwäche diesbezüglich und fürchtet deshalb nicht ernsthaft, von Russland als Hauptpartner Nordkoreas und Machtfaktor in Pjöngjang verdrängt zu werden.

Kim gewinnt international an Akzeptanz

Selbst in den USA und in anderen westlichen Ländern wurde das Putin-Kim-Treffen mehrheitlich begrüsst. Man hofft, es halte Kim vorläufig von neuerlichen Atom- und Langstreckenraketentests ab. Dazu kommt, dass die USA in der Nordkorea-Politik laviert. Präsident Donald Trump schwankt zwischen inniger Männerfreundschaft mit Kim und deftigen Kriegsdrohungen.

Amerikanische Nordkorea-Experten sehen hingegen die russisch-nordkoreanische Wiederannäherung skeptisch. Sie verschafft Pjöngjang mehr Handlungsfreiheit – regional, international auf der UNO-Bühne, vor allem aber wirtschaftlich. Entsprechend schwieriger wird es, das Land im Atomstreit unter Druck zu setzen. Kim Jong-Un hat nun Alternativen zu den stockenden Verhandlungen mit den USA.

Obschon es auf dem Gipfel keinerlei konkreten Beschlüsse gab, so gibt es doch ein Ergebnis: Das bisher isolierte nordkoreanische Regime gewinnt auf der Weltbühne weiter an Akzeptanz.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

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