Saudi-Arabien ist eine reiche Ölnation. Ein anderes Exportgut der Golfnation sei jedoch weit explosiver, sagt Terence Ward. Es ist der Wahhabismus, die Staatsreligion von Saudi-Arabien, die Terrorgruppen wie Boko Haram, Al-Shabab, Al-Kaida und dem Islamischen Staat (IS) als Grundlage diene.
Laut der globalen Terrorismus-Datenbank des King’s College in London sind denn auch wahhabitisch inspirierte Terrorgruppen für mehr als 94 Prozent aller Todesopfer bei islamistischen Terrorangriffen seit 2001 verantwortlich. «Alle diese Gruppen hatten eine Verbindung zu Saudi-Arabien. So verbrannten IS-Terroristen Schulbücher in syrischen Schulen, um dann Bücher aus Saudi-Arabien zu importierten», sagt Ward.
Was ist der Wahhabismus?
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Als Wahhabismus wird eine puristisch-traditionalistische Richtung des neuzeitlichen sunnitischen Islams bezeichnet. Die Bewegung gründet sich auf die Lehren Muhammad ibn ʿAbd al-Wahhābs. Die Wahhabiten folgen der hanbalitischen Rechtsschule und lehnen den Sufismus, den Kalām wie auch alle Formen des schiitischen Islams ab. Sie wenden sich darüber hinaus strikt gegen Heiligenverehrung, Wallfahrten zu Gräbern und die Feier des Prophetengeburtstags.
Die Anhänger ibn ʿAbd al-Wahhābs nehmen für sich in Anspruch, als einzige die islamische Lehre authentisch zu vertreten. Glaubensauffassungen, die mit dem Wahhabismus nicht vereinbar sind, werden von ihnen als «unislamisch» deklariert.
Die meisten Wahhabiten leben in Saudi-Arabien, wo ihre Lehre staatliche Förderung geniesst und etwa durch die Islamische Weltliga global verbreitet werden soll.
Daneben dominieren Anhänger der wahhabitischen Lehre auch in Katar, sie finden sich auch in Indien, Pakistan und Westafrika.
Die Bezeichnung «Wahhabiten» wird nur von Gegnern dieser Gruppierung verwendet. Sie selbst bezeichnen sich in der Regel nicht so, sondern als Salafis oder einfach als «Sunniten» (ahl as-sunna).
Öffentliche Scharia-Strafen
Die in Asien verbreitete Gruppe der Ahl-i Hadîth sowie das Al-Kaida-Netzwerk stehen den Wahhabiten nahe. Die Ideologie der Taliban weist Ähnlichkeiten mit dem Wahhabismus auf, allerdings sind die Taliban Anhänger der hanafitischen Rechtsschule.
In seinem Herrschaftsgebiet führte der Islamische Staat einen auf der Scharia und dem Wahhabismus
basierenden 16-Punkte-Katalog ein, der das öffentliche und private Leben massiv normierte und einschränkte. Im Unterschied zu Salafisten stehen Wahhabiten loyal zum Königshaus der Saud.
Kennzeichnend für den Einfluss der Wahhabiten in Saudi-Arabien sind unter anderem folgende Praktiken im öffentlichen Leben:
Verbot des Autofahrens für Frauen (2018 abgeschafft)
Verbot für Frauen, sich in der Öffentlichkeit mit fremden Männern zu zeigen
Öffentliche Scharia-Strafen wie Hinrichtungen und Auspeitschungen
Verbot der freien Religionsausübung
Lange Zeit waren Musik und Fernsehen verboten.
Zerstörung des islamischen Kulturerbes in Saudi-Arabien.
«Der Wahhabi-Code – wie die Saudis Extremismus in der Welt verbreiten», heisst sein jüngstes Werk. Der US-Amerikaner ist in Saudi-Arabien, Iran und Ägypten aufgewachsen, Autor mehrerer Bücher und Mitglied des angesehenen Nahostinstituts in Rom und der Weltreligionskonferenz für Frieden.
«Saudi-Arabien hat in den letzten 30 Jahren zehn Milliarden Dollar ausgegeben, um seine radikale, intolerante Staatsideologie in der Welt zu verbreiten», so Ward. Mit dem Geld werden Moscheen und Koranschulen gebaut und Imame unterstützt.
Beinahe 700 Millionen Wahlkampfspende
Indonesien sei eines der Projekte von Saudi-Arabien, in welchem man den Einfluss des Wahhabismus sehr gut beobachten könne, meint SRF-Korrespondentin Karin Wenger. «Saudi-Arabien gewann nach dem Fall von Diktator Suharto in Indonesien 1998 und nach der demokratischen Öffnung an Einfluss.» Mit dem saudischen Geld wurden Moscheen gebaut, Pilgerreisen finanziert oder Stipendien vergeben.
Die Liste des saudischen Einflusses lässt sich beliebig erweitern. «In Malaysia hat der abgewählte Premierminister Najib Razak zugegeben, für seine Wahlkampagne eine Spende von fast 700 Millionen Dollar vom saudischen König angenommen zu haben», so Wenger. Geld, das sicherlich mit gewissen Gegenleistungen verknüpft gewesen sei.
Der Einfluss Saudi-Arabiens war bereits in den 1970er Jahren in Pakistan zu beobachten. Dort finanzierte Saudi-Arabien in den 70er Jahren Koranschulen, in denen Extremisten ausgebildet wurden, um gegen die Sowjets in Afghanistan zu kämpfen. «Schüler dieser Koranschulen formten sich später zu den Taliban, die Afghanistan in ein ultra-konservatives, frauenfeindliches Land verwandelten», sagt Wenger.
Menschenrechte in Saudi-Arabien
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Saudi-Arabien wird nicht nur für die Verbreitung seiner intoleranten Staatsreligion kritisiert. «Auch im Bereich der Menschenrechte liegt noch vieles im argen», so Terence Ward. Laut Amnesty International wurden dieses Jahr mehr als 100 Personen hingerichtet, meist wegen geringer Straftaten.
Auch die Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in der Türkei vor einem Jahr bleibt weiterhin ungeklärt. Dem Kronprinzen Mohammed bin Salman wird dabei vorgeworfen, die Tötung des Journalisten in Auftrag gegeben zu haben.
Kritik am Schweizer Bundespräsidenten
Obwohl Saudi-Arabien seine intolerante Staatsreligion gezielt und weltweit verbreitet, spricht Bundespräsident Ueli Maurer mit der schweizer Wirtschaftsdelegation auf seiner Reise bei Kronprinz Mohammed bin Salman vor. Denn, so schreibt das eidgenössische Finanzdepartement, Saudi-Arabien sei einer der bedeutendsten Zielmärkte der Schweizer Finanzdienstleister ausserhalb Europas.
«Wenn ein ausländischer Politiker nach Saudi-Arabien reist, um Geschäfte abzuschliessen, dann muss er wissen, dass immer ein Teil der Regierungsgelder und Gelder von privaten Unternehmern auch an Organisationen geht, die den Wahhabismus in die Welt tragen».
«Auch progressive Politiker verbeugen sich vor den Islamisten»
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Indonesien ist die grösste muslimische Demokratie der Welt. Auch dort zeige sich zunehmend ein intolerantes Klima und immer mehr Einfluss von wahhabitisch geprägten Gruppierungen in der Gesellschaft, aber auch in der Politik, so SRF-Korrespondentin Karin Wenger. «Wenn man mit Indonesierinnen spricht, dann sagen die, sie würden schief angeschaut, wenn sie kein Kopftuch tragen.» Wenn sich jemand beklage, dass die Lautsprecher der Moschee zu laut eingestellt seien, müsse man damit rechnen, wegen Gotteslästerung im Gefängnis zu landen.
«In den letzten fünf Jahren wurden in Indonesien 41 Personen wegen Gotteslästerung ins Gefängnis gesteckt», sagt Wenger. Der prominenteste Fall war der Gouverneur von Jakarta, Basuki Tjahaja Purnama, ein christlich-chinesisch-stämmiger Indonesier, gegen den die Islamisten grosse Massendemonstrationen organisiert hatten und in der Folge verhaftet wurde und wegen Gotteslästerung verurteilt wurde.
Der zunehmde Einfluss Saudi-Arabiens sehe man auch in der indonesischen Politik, so Wenger. «So hat Präsident Joko Widodo Ma’ruf Amin, einen erzkonservativen Kleriker, als Vizepräsidenten gewählt.» Amin wollte Homosexualität unter Strafe stellen und islamische Minderheitenbewegungen verbieten. «Auch progressive Politiker wie Widodo verbeugen sich vor den Islamisten.»
Das doch eher ernüchternde Fazit von Karin Wenger: «Überall, wo sich der wahhabitische Einfluss verbreitet hat, wurden einst tolerante Gesellschaften zerstört und intolerante geboren.»
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