Worum geht es? In Spanien haben Zehntausende Menschen an einem von Gewerkschaften ausgerufenen Streik gegen das Vorgehen Israels im Gazastreifen teilgenommen. «Die meisten Demonstrationen waren friedlich», sagt SRF-Auslandredaktor Beat Vogt. In Barcelona kam es aber am Abend bei einer Demonstration von rund 15'000 Menschen zu gewalttätigen Ausschreitungen. Vermummte griffen Geschäfte und Restaurants an, denen sie eine Verbindung oder Nähe zu Israel vorwarfen, wie der staatliche TV-Sender RTVE berichtete. Auch vor dem israelischen Konsulat kam es demnach zu Unruhen.
Warum kam es in Barcelona an einem Bahnhof zu Ausschreitungen? Dort haben Demonstrierende versucht, die Basketballmannschaft von Hapoel Jerusalem am Verlassen des Bahnhofs zu hindern, berichtete der staatliche TV-Sender RTVE. Die Israelis sollten ein Spiel ohne Publikum gegen den lokalen Verein Baxi Manresa bestreiten. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, Protestierende warfen Flaschen und andere Gegenstände.
Was war von den Organisatoren geplant? Mehrere Gewerkschaften hatten zu Protesten und Streiks aufgerufen, um gegen den als Völkermord angeprangerten Militäreinsatz Israels in dem Küstenstreifen zu protestieren. Die Menschen sollten jeweils für zwei Stunden am Morgen, am Mittag und am Abend die Arbeit niederlegen. Über grössere Auswirkungen auf das öffentliche Leben wurde zunächst nichts bekannt. Im Nahverkehr gab es vereinzelt leichte Verspätungen, manche TV-Stationen hatten kurze Sendeunterbrechungen. Auch in anderen grösseren Städten wie Madrid, Valencia, Bilbao oder Sevilla kam es zu Kundgebungen.
Jetzt herrscht Waffenrufe – wieso demonstrieren sie immer noch? «Diese Demonstrationen wurden schon am 19. September von zwei grossen Gewerkschaften angekündigt, als die israelische Militäroffensive noch in vollem Gang war. Eine kleinere Gewerkschaft schloss sich dem Aufruf an. Nun wurde sie auch durchgeführt», sagt Beat Vogt.
Wieso engagieren sich so viele Menschen in Spanien für Gaza? Dafür sieht Auslandredaktor Vogt mehrere Gründe: «Erstens hat Spanien eine linke Regierung. Die Linke in Europa ist tendenziell viel israelkritischer.» Die Regierung von Pedro Sánchez habe den Staat Palästina schon im Mai 2024 anerkannt, zusammen mit Irland und Norwegen. Zweitens gebe es auch regionale Gründe: «Gerade in Katalonien oder im Baskenland sind die Sympathien für das palästinensische Volk gross. Diese beiden Regionen kämpfen für ihre Autonomie und einige Menschen sehen darin Parallelen im Unabhängigkeitskampf für Palästina.»
Spanien war in der Nachkriegszeit als Diktatur im Westen isoliert. Das führte dazu, dass Spanien besondere Beziehungen und eine besondere Solidarität zu arabischen Ländern aufbaute.
Wieso hat Spanien Israel erst 1986 anerkannt? «Die spanische Zeitung ‹El País› schrieb kürzlich, dass Spanien das Schuldgefühl anderer europäischer Länder in Bezug auf den Holocaust nicht teile», sagt Vogt. Die israelkritische Haltung vieler Menschen in Spanien habe aber auch mit der Zeit der Diktatur zu tun. «Spanien war in der Nachkriegszeit als Diktatur im Westen isoliert. Das führte dazu, dass Spanien besondere Beziehungen und eine besondere Solidarität zu arabischen Ländern aufbaute», so der Auslandredaktor.