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Strenges Abtreibungsgesetz Das müssen Sie zum Abtreibungsgesetz von Texas wissen

Das rigorose Abtreibungsgesetz ist vorerst wieder in Kraft. Das letzte Wort wird das oberste Gericht der USA haben.

Darum geht es: Das strenge Abtreibungsgesetz in Texas ist seit Samstag wieder in Kraft – vorübergehend, bis das höchste US-Gericht darüber entschieden hat. Damit sind Abtreibungen in Texas ab der sechsten Schwangerschaftswoche verboten, selbst bei Vergewaltigung oder Inzest. Nur wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, ist noch ein Schwangerschaftsabbruch möglich. Das Gesetz sieht rigorose Strafen vor für Ärzte, die Abtreibungen trotzdem durchführen. Ausserdem fördert es die Denunziation solcher Ärztinnen durch normale Bürger.

Das sind die Folgen für Frauen: «Wenn eine Frau ungewollt schwanger wird, kann sie nicht mehr damit rechnen, dass sie in Texas einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen kann», sagt SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi. Für eine Abtreibung seien mehrere Arzttermine wahrzunehmen, was in der vorgegebenen Frist praktisch unmöglich sei. Die Frauen müssen also in andere Bundesstaaten reisen, wo die Kliniken aber oftmals ausgelastet sind. Manche müssen für eine Abtreibung bis nach New York – was sich nur wohlhabende Frauen leisten können. Deshalb: «Einkommensschwache Frauen leiden am stärksten unter diesem Gesetz», stellt die Korrespondentin fest.

Kampfbegriff «Herzschlaggesetz»

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Die Befürworterinnen des texanischen Abtreibungsgesetzes sprechen vom «Herzschlaggesetz». Doch dabei handle es sich ganz klar um einen Kampfbegriff der Abtreibungsgegner, sagt Korrespondentin Jacobi: «Der Begriff suggeriert, dass ein Embryo nach sechs Wochen schon weit entwickelt ist und ein Herz hat, das schlägt – doch dem ist nicht so.» Vielmehr ist ab der sechsten Schwangerschaftswoche beim embryonalen Gewebe, das zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei menschliche Gestalt hat, mit den geeigneten Geräten ein schwaches Pochen messbar. «Der Kampfbegriff ‹Herzschlaggesetz› ist aber äusserst erfolgreich», so Jacobi. So hätten die meisten Frauen in den USA inzwischen eine falsche Vorstellung davon, was den Entwicklungsstand eines Embryos nach sechs Wochen betreffe. «Der Begriff spielt bewusst mit den Emotionen von schwangeren Frauen.»

Sie befürworten das Gesetz: Texas ist Teil des sogenannten Bible-Belts, dem «Bibelgürtel» der USA. Dort leben besonders viele christliche Fundamentalisten – und sie wählen republikanisch. «Für grosse Teile der republikanischen Basis ist klar, dass Abtreibungen gegen das göttliche Recht des Lebens verstossen», sagt Jacobi. Für sie sei Abtreibung Mord. Trotzdem sei die Mehrheit der Texanerinnen und Texaner laut Umfragen gegen ein so striktes Abtreibungsgesetz. Doch die Abtreibungsgegner seien extrem gut organisiert, entsprechend gross sei ihr Einfluss auf die Politik der Republikaner – und das nicht nur in Texas.

Es könnte sein, dass das texanische Abtreibungsgesetz selbst den konservativsten Richtern in Washington zu rigoros ist.
Autor: Isabelle Jacobi USA-Korrespondentin von Radio SRF

Das unternehmen die Gegner: Die Gegnerinnen des Gesetzes versuchen weiterhin, dieses gerichtlich zu stoppen. Mehrere Verfahren seien derzeit am Laufen, weiss Jacobi – auch zu Einzelfällen von durchgeführten Abtreibungen. Ausserdem habe die US-Regierung von Präsident Joe Biden Klage gegen den Staat Texas eingereicht. «Alle diese Kläger argumentieren, das Gesetz sei verfassungswidrig.»

Keine Chance für ein Bundesgesetz

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Angesichts der grossen Unterschiede in der Schwangerschaftsabbruch-Gesetzgebung in den einzelnen US-Bundesstaaten drängt sich die Frage auf, wieso nicht ein Bundesgesetz erlassen wird, das die gleichen Regeln im ganzen Land gewährleisten würde. In der Tat hätten die Demokraten in Washington einen entsprechenden Vorstoss eingereicht, sagt Korrespondentin Jacobi. Doch: «Die Republikaner werden kaum für ein Gesetz eintreten, das eine wichtige Machtbasis innerhalb ihrer Partei vor den Kopf stossen würde.» Deshalb sei aus Washington keine Lösung des Problems zu erwarten.

So geht es jetzt weiter: Schwangerschaftsabbrüche in Texas nach der sechsten Schwangerschaftswoche bleiben wohl so lange verboten, bis der oberste Gerichtshof in Washington dazu einen Entscheid gefällt hat, wie Jacobi festhält. Doch wie dieses entscheiden und wann das geschehen werde, sei völlig offen. Zwar sei die Mehrheit der höchsten Richterinnen und Richter konservativ gesinnt – «doch es könnte sein, dass das texanische Abtreibungsgesetz selbst den konservativsten Richtern in Washington zu rigoros ist», so die Korrespondentin.

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SRF 4 News aktuell vom 14.10.2021, 07:50 Uhr ; 

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