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Schilderungen aus der Ukraine «Mein Leben hängt davon ab, was hier an der Front passiert»

Trotz Verhandlungen für einen Frieden tobt der Krieg in der Ukraine weiter. Vier Menschen erzählen von ihrem Alltag zwischen Raketen, Drohnen und Stromausfällen

Danylo, 24, Soziologe, Kiew: «Manchmal ist die Dunkelheit deprimierend. Jetzt im Winter haben wir echt wenig Tageslicht und abends ist es stockfinster. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Ich laufe mit der Taschenlampe durch die dunkle Wohnung, selbst wenn wir gerade Strom haben. Ich versuche, es positiv zu sehen: So lese ich jetzt wieder viel mehr als früher.

Es ist wichtig, dass die Menschen weiterhin Freude verspüren, sonst wären wir alle längst durchgedreht.
Autor: Danylo Soziologe

Ausserdem gehe ich weiterhin an Techno-Partys. Vor dem Krieg war Kiew das zweite Berlin. Heute laufen die Partys weiter, aber sie hören früher auf wegen der Sperrstunde und wenn es einen Luftalarm gibt, werden sie unterbrochen. Es ist wichtig, dass die Menschen weiterhin Freude verspüren, sonst wären wir alle längst durchgedreht. Wir Ukrainer verstehen, dass der Krieg noch lange dauern wird und wir uns an die Umstände anpassen müssen.»

Person mit langen Haaren in dunklem Raum.
Legende: Der 24-jährige Danylo lässt sich vom Krieg nicht unterkriegen. Für den Stromausfall hat er stets eine Taschenlampe zur Hand, für das Gemüt geht er weiterhin an Techno-Partys. SRF

Anastasia, 26, Social-Media-Managerin, Kiew: «Im Allgemeinen habe ich mich an die Drohnen-Angriffe gewöhnt. Aber wenn ich die ballistischen Raketen höre, zittere ich immer noch. Ich weiss, dass in diesem Moment jemand sein Leben verloren hat. Das hätte ich sein können.

Ich gehe an verschiedene Kulturpartys, wo wir unsere Traditionen feiern und Geld für die Armee sammeln. Und ich bin Teil einer Freiwilligenorganisation, die vom Krieg zerstörte Häuser wiederaufbaut.»

Die Leute hier sind grossartig, darum möchte ich hier leben. Trotz all der Ängste und Gefahren.
Autor: Anastasia Social Media Managerin

Natürlich beeinflusst der Krieg mein Leben. Wegen der ständigen Blackouts kann ich nicht zu Hause arbeiten. Aber die Leute hier sind grossartig, darum möchte ich hier leben. Trotz all der Ängste und Gefahren.

Frau mit lila Haaren am Fenster mit Stadtblick.
Legende: Anastasia geht an verschiedene Kulturpartys, wo die ukrainische Tradition gefeiert und Geld für die Armee gesammelt wird. SRF

Oleksii, 43, verletzter Grenadier, Saporischja: «Das Leben an der Front kann man nicht wirklich als Leben bezeichnen. Es gibt viele Dinge nicht, an die man gewöhnt ist. Es ist entweder heiss oder kalt, feucht oder nass. Es hat Mäuse und im Sommer auch noch Moskitos. Du lebst wie ein Maulwurf unter der Erde und die ganze Zeit versucht dich jemand zu töten. 

Das Leben an der Front kann man nicht wirklich als Leben bezeichnen.
Autor: Oleksii Verletzter Grenadier

Gestern war ich in einem Pub und habe etwas getrunken – zu viel darf ich nicht trinken wegen meiner Verletzung. Dabei habe ich zufälligerweise den Typen getroffen, der mir das Leben gerettet hat. Vor vier Monaten hat er all die Bastarde getötet, damit sie meine Stellung nicht erreichen. ‹Bastarde›, so nennen alle hier die Russen. Warum zur Hölle würdest du dein Leben aufgeben, nur um in einem anderen Land zu sterben? Das verstehe ich nicht. Trumps sogenannter Friedensplan ist inakzeptabel. Wenn wir uns im Osten zurückziehen, will Putin morgen die nächste Region und dann Kiew.»

Mann mit Bart und Cap vor Landschaft
Legende: Für Oleksii ist klar: «Trumps sogenannter Friedensplan ist inakzeptabel.» SRF

Petro, 28, Drohnentechniker an der Front: «Bevor ich der Armee beigetreten bin, habe ich die Nachrichten sehr eng verfolgt. Jetzt habe ich Wichtigeres zu tun. Seit Trump im Amt ist, drehen sich diese Verhandlungen im Kreis. 

Mein Leben hängt davon ab, was hier an der Front passiert, nicht von den Details der Verhandlungen, die sich jeden Tag ändern.
Autor: Petro Drohnentechniker an der Front

Russland will keinen Frieden und die Ukraine kann nicht einfach aufgeben. Mein Leben hängt davon ab, was hier an der Front passiert, nicht von den Details der Verhandlungen, die sich jeden Tag ändern. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Wir müssen die russische Armee stoppen, dann könnte es vielleicht irgendwann Frieden geben.»

Person in Tarnkleidung auf nebligem Feld.
Legende: Petro ist als Drohnentechniker an der Front. Er sagt: «Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können.» SRF

 

Club, 02.12.2025, 22:25 Uhr ; 

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