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Verteidigung Schwedens Pal Jonson: «Wir sind immer kampfbereit, wenn es nötig ist»

Schweden war eines der ersten Länder, das sich bereit erklärt hat, bei militärischen Sicherheitsgarantien für die Ukraine mitzumachen. Nun wurden solche im Grundsatz beschlossen. Schon nach dem russischen Überfall auf die Ukraine trat das bis dahin neutrale Schweden ohne Zögern der Nato bei. Und es ist heute eines der europäischen Länder, das am stärksten aufrüstet. Verteidigungsminister Pal Jonson erklärt den Schritt.

Pal Jonson

Verteidigungsminister Schwedens

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Pal Henning Jonson gehört der Moderaten Sammlungspartei (Moderata Samlingspartiet) an. Der 1972 geborene Politiker war von 2016 bis 2022 Mitglied des Schwedischen Reichstages. Seit dem 18. Oktober 2022 ist er Verteidigungsminister in der Regierung von Ulf Kristersson. Er studierte internationale Politik und Europapolitik an der Georgetown University in Washington D.C. sowie am College of Europe in Brügge. Jonson ist verheiratet und hat drei Kinder.

SRF News: In wenigen Tagen beginnt Russland mit seinen grossen Zapad-Militärmanövern. Sie finden erstmals seit 2021 statt. Im Nachhinein gelten die damaligen Manöver als Hauptprobe für den Einmarsch in die Ukraine. Ist man in Schweden besorgt, dass sie diesmal ein Test sind für einen Angriff auf ein Nato-Land?

Pal Jonson: Wir verfolgen die russischen Bewegungen in der Ukraine und die Zapad-Manöver sehr genau. Aber noch ist Russland mit seinen Bodentruppen in und um die Ukraine absorbiert, weshalb seine strategische Manövrierfähigkeit in anderen Gebieten eingeschränkt ist.

Rechnen Sie in Schweden damit, dass Russland im Falle eines Siegs oder Teilsiegs über die Ukraine weitere Eroberungen vorhat?

Die schwedische Bevölkerung weiss sehr wohl, dass unsere Sicherheit durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine stark beeinträchtigt wurde. 

Mann im Anzug spricht.
Legende: Pal Jonson: «Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist eine starke Armee. Dazu können wir beitragen.» REUTERS / Tom Little

Deshalb bin ich froh, dass es eine starke Unterstützung gibt für die Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben. Da wir heute in der Nato sind, fühlen wir uns sicherer. Und die Nato ist dank uns stärker.

Zuvor hat Schweden seine Militärausgaben stark verringert und die Wehrpflicht abgeschafft. Wären Ihre Streitkräfte inzwischen wieder bereit für einen allfälligen Kampfeinsatz?

Wir sind immer kampfbereit, wenn es nötig ist. Geht es hart auf hart, ist die schwedische Bevölkerung laut allen Umfragen fest entschlossen, Schweden zu verteidigen.

Wir bauen intensiv unsere Streitkräfte aus.

Jetzt haben wir unseren Verteidigungshaushalt innerhalb von vier Jahren verdoppelt. Wir haben unsere Beschaffungszahlen verdreifacht. Wir bauen also intensiv unsere Streitkräfte aus. Und das eng abgestimmt mit den anderen nordischen und den baltischen Ländern.

Schweden wird also das Nato-Ziel von mindestens 3.5 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung erreichen?

Ja, das ist unser Ziel. Und zwar schon 2030 und nicht erst 2035, wie von der Nato vorgegeben.

Als Sie Verteidigungsminister wurden, war Schweden ein neutrales Land. Jetzt ist es Mitglied der Nato. Gibt es in Schweden einen Konsens, dass dies die richtige Entscheidung war?

Sechs von acht Parteien waren für den Nato-Beitritt. Die Unterstützung im Parlament ist also breit. Und gemäss allen Umfragen gibt es auch eine sehr solide Unterstützung in der Bevölkerung. Dies, obschon der Nato-Beitritt einen Bruch darstellte nach 200 Jahren militärischer Blockfreiheit und Neutralität.

Wir wollen die Nato stark halten – nicht um Kriege zu gewinnen, sondern um Kriege zu vermeiden.

Würden Sie diesen Weg auch der Schweiz empfehlen?

Es steht mir nicht zu, der Schweiz zu sagen, wie sie ihren Weg zur Sicherheit wählen soll. Ich kann aber für Schweden und auch für Finnland sagen, dass wir uns in der Nato sicherer fühlen. Es gibt nun eine gemeinsame Verteidigungsplanung für Nordeuropa. Wir wollen die Nato stark halten – nicht um Kriege zu gewinnen, sondern um Kriege zu vermeiden. Dafür brauchen wir die Abschreckung.

Im Ukraine-Krieg ist Russland bereit, Zehntausende seiner Bürger zu opfern. Westliche Länder können das nicht. Bedeutet das, der Westen wäre diesbezüglich von vornherein im Nachteil, wenn es zu einem Krieg käme?

Russland hat wiederholt gezeigt, dass es bereit ist, grosse politische und militärische Risiken einzugehen. Deshalb müssen wir in Europa unsere Aufrüstung beschleunigen. So erringen wir einen qualitativen und quantitativen Vorsprung, damit Russland gar nicht erst in Versuchung gerät, unser Bündnis anzugreifen.

In Paris wurde ein Grundsatzabkommen der sogenannten Koalition der Willigen über Sicherheitsgarantien für die Ukraine beschlossen. Schweden hat sich als eines der ersten Länder grundsätzlich bereit erklärt, sogar Truppen in die Ukraine zu entsenden.

Ja, in der Tat. Wir waren Teil der Kernplanungsgruppe der «Koalition der Willigen» und wir schliessen einen Einsatz in der Ukraine nicht aus nach einem Friedensabkommen oder einem Waffenstillstand. Wir haben auch gesagt, dass wir gerade im maritimen Bereich oder in der Luftverteidigung einen Beitrag leisten würden.  

Würden Beobachter oder Friedenstruppen genügen? Oder bräuchte es auch kampfstarke Truppen?

Ich glaube nicht, dass es hier um klassische Friedenssicherung geht, also darum, den Frieden zwischen zwei Ländern zu wahren. Russland ist der Aggressor und die Ukraine das Opfer.

Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist eine starke Armee. Dazu können wir beitragen.

Deshalb wird der Schwerpunkt darauf liegen, die ukrainischen Streitkräfte zu regenerieren und wieder aufzubauen. Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist eine starke Armee. Dazu können wir beitragen.

Wird eine allfällige Entsendung schwedischer Truppen in die und für die Ukraine von der Öffentlichkeit unterstützt?

Natürlich muss auch das Parlament zustimmen. Aber wir sind eines der Länder in Europa, in dem die Öffentlichkeit die Ukraine am stärksten unterstützt. Auch bei Waffenlieferungen. Aber wichtig ist ebenso, dass sich die USA und andere Länder auf die eine oder andere Weise an der Koalition der Willigen beteiligen und dass es klare Einsatzregeln gibt.

Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.

Echo der Zeit, 5.9.2025, 18:00 Uhr ; 

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