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UNO-Menschenrechtsrat Erschreckend knapp verpasst Moskau die Rehabilitierung in der UNO

Wie rasch sich doch die Zeiten ändern: Im April 2022, kurz nach Beginn der russischen Invasion, sprachen sich 93 UNO-Mitglieder für den Hinauswurf Russlands aus dem UNO-Menschenrechtsrat aus. Nur 24 stimmten für dessen Verbleiben. Moskau war ziemlich isoliert.

Jetzt, ein gutes Jahr später, war beinahe die Hälfte der UNO-Mitglieder bereit, Russland de facto zu rehabilitieren und dessen Rückkehr ins oberste Menschenrechtsorgan der Vereinten Nationen gutzuheissen. Die Isolation von Putins Unrechtsregime bröckelt.

Ganz überraschend kommt das nicht. Manche UNO-Beobachter schlossen gar eine Wahl Russlands nicht ganz aus. Eine gewisse Ukraine-Müdigkeit breitet sich aus, vor allem in Afrika, Lateinamerika, im Nahen Osten und in Asien. Sogar einzelne europäische Regierungen – die ungarische und vermutlich die künftige slowakische – wenden sich ab von Kiew. Ausserdem weite Teile der US-Republikaner.

Immer mehr Länder wollen zurückkehren zu einer Art Normalität. Es stört sie, dass der Krieg gegen die Ukraine und deren Schicksal so viel Aufmerksamkeit und Ressourcen bindet. Man sah das im Sommer auf dem Brics-Gipfel, dem Spitzentreffen der Schwellenländer. Man sah es erneut auf dem G20-Gipfel in Indien und jüngst während der UNO-Gipfelwoche in New York. Für die Ukraine sind das irritierende Signale.

Autoritäre Führer umgarnt

Dazu kommt: Russland warb mit einer perfiden Strategie für seine Wahl in den Menschenrechtsrat. Es versprach nämlich, sich dort dafür einzusetzen, dass nicht mehr einzelne Staaten an den Pranger gestellt werden. Das gefällt natürlich manchen autoritären Führern. Aber es widerspricht fundamental dem Daseinszweck des Menschenrechtsrates.

Dieser besteht genau darin, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken, zu dokumentieren, anzuprangern und politisch Druck zu machen, damit sich Regierungen verbessern. Das UNO-Gremium ist der Fürsprecher von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber ihrer Obrigkeit. Russland lobbyierte also für sich, indem es ankündigte, den Menschenrechtsrat zu sabotieren.

Vor diesem Hintergrund sind 83 Stimmen bemerkenswert viel. Zumal für die Aufnahme in den Menschenrechtsrat statutengemäss nur Länder infrage kommen dürften, welche die Menschenrechte respektieren. Natürlich darf man diese Vorgabe nicht allzu streng interpretieren. Sonst würde das Organ zu einem europäischen Klub mit wenigen afrikanischen und amerikanischen Mitgliedern. Mit der Folge, dass sich das Gros der UNO-Mitglieder um dessen Arbeit foutieren würden.

Kaum Verbesserungen

Aber dass Russland die Wahl gar nicht so deutlich verpasste und die Generalversammlung gleichzeitig Kuba glänzend und China oder Burundi mit respektablen Resultaten in den Rat wählte, zeigt, wie large das Aufnahmekriterium interpretiert wird. Von blütenreiner Weste kann da keine Rede sein. Die Hoffnung hinter der Wahl von problematischen Staaten ist jeweils, dass sich diese aufgrund ihrer Ratsmitgliedschaft anstrengen und bessern werden. Tatsächlich ist das kaum je der Fall.

Mit der gar nicht so deutlichen Nichtwahl Russlands wendete der Menschenrechtsrat und die UNO insgesamt eine ganz grosse Erschütterung und Vertrauenskrise vorläufig ab. Wenngleich erschreckend knapp.

Das zeigt zugleich, wie unempfänglich viele Regierungen für das Argument sind, wonach eine Rehabilitierung Russlands einen starken Anreiz für den Kreml böte, mit Eroberungsfeldzügen fortzufahren. Und einer Ermunterung für andere expansionslustige Regime gleichkäme, es Moskau nachzumachen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Echo der Zeit, 10.10.2023, 18:00 Uhr

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