Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro muss wegen seines Putschversuchs mehr als 27 Jahre ins Gefängnis. Der oberste Gerichtshof des Landes hat das Urteil für rechtskräftig erklärt. Seit dem Wochenende sass Bolsonaro bereits in vorsorglicher Untersuchungshaft, weil er versucht hatte, seine Fussfessel zu öffnen. SRF-Südamerika-Korrespondentin Teresa Delgado erläutert die Hintergründe.
Wo befindet sich Bolsonaro derzeit?
Er bleibt vorerst im Polizeipräsidium in Brasilia, wo er schon in Untersuchungshaft war. Dort wird er jetzt auch die ersten Wochen oder Monate seiner mehr als 27-jährigen Haftstrafe verbringen. In welchem Gefängnis er den Rest absitzen wird, ist noch unklar.
Kann Bolsonaro die Gefängnisstrafe noch abwenden?
Weitere Berufung kann Bolsonaro nicht mehr einlegen, die Rechtsmittel sind ausgeschöpft. Er kann allenfalls medizinische Gründe geltend machen: Bolsonaro leidet seit Jahren an chronischen Beschwerden wie Lungeninfektionen, Hautkrebs, Magenproblemen, starken Schluckauf-Krisen. Auch leidet er unter Komplikationen nach dem Messerattentat auf ihn im Wahlkampf 2018. Diese medizinischen Probleme könnten ein Argument für Hausarrest sein. Aber nachdem Bolsonaro erst gerade versucht hat, seine elektronische Fussfessel aufzubrechen, ist es unwahrscheinlich, dass das Gericht nochmal auf Hausarrest setzen wird. Die Fluchtgefahr scheint dafür zu gross.
Wie reagiert Brasilien auf die endgültige Verurteilung?
Die Reaktionen verlaufen entlang der politischen Bruchlinien, die das Land seit Jahren prägen. Viele Brasilianerinnen und Brasilianer, insbesondere aus dem linken Lager, sehen das Urteil als notwendige Konsequenz. Für sie ist es ein Zeichen, dass die Institutionen standhalten und dass auch ein Ex-Präsident nicht über dem Gesetz steht. Ganz anders das Bolsonaro-Lager: Dort spricht man von politischer Verfolgung, von einer Justiz, die gezielt gegen Rechte vorgehe. In den sozialen Medien kursiert bereits wieder das Wort «Hexenjagd». Das Urteil des obersten Gerichts beruhigt das Land also nicht. Es macht sichtbar, wie tief die Spaltung sitzt.
Ist das Urteil politisch motiviert?
Die Anhänger Bolsonaros verweisen darauf, dass einzelne Richter des Obersten Gerichtshofs links sind oder dem aktuellen Präsidenten Lula da Silva nahestehen. Allerdings waren es vier von fünf Richtern, die für die Haftstrafe stimmten. Die Beweislast des fast 1000-seitigen Ermittlungsberichts der Bundespolizei zum Putschversuch vom 8. Januar 2023 war schlicht erdrückend. Zeugenaussagen auch von hohen Militärs und Mitgliedern der ehemaligen Bolsonaro-Regierung belasteten Bolsonaro schwer. Das Oberste Gericht sah es als erwiesen an, dass er eine «kriminelle Organisation» angeführt und tausende seiner Anhänger zu einem gewaltsamen Putschversuch angestiftet habe. Im Zentrum des Weltbilds des Bolsonaro-Lagers dagegen steht weiterhin die Idee, dass die Eliten gegen sie arbeiten würden.
Was heisst das alles mit Blick auf die Wahlen 2026?
Die Haftstrafe und ein früheres Urteil, welches Bolsonaro das Ausüben öffentlicher Ämter verbot, hält Bolsonaro aus der Politik fern. Aber es beendet den Bolsonarismo nicht. Die Bewegung ist längst grösser als Bolsonaro selbst: Sie stützt sich auf evangelikale Kirchen, auf Teile des Militärs, auf Grossbauern, Landbesitzer – und auf ein sehr aktives digitales Umfeld, viel Präsenz in den sozialen Medien. Diese Gruppen bleiben mobilisierbar.