Darum geht es: Die Ukraine setzt das Alter für die Einberufung zum Militärdienst von 27 auf 25 Jahre herunter. Präsident Wolodimir Selenski hat ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet. Es wurde bereits vor einem Jahr vom Parlament verabschiedet und tritt nun sofort in Kraft. Ausgehend von den Geburtenziffern Ende der 1990er-Jahre können damit theoretisch gut 400'000 weitere Männer für den Kriegsdienst eingezogen werden. Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit rund eine Million Ukrainerinnen und Ukrainerinnen unter Waffen stehen.
Der Hintergrund: Die ukrainische Armee hat seit dem Grossangriff der Russen Ende Februar 2022 grosse Verluste erlitten. Das Ausmass der Toten und Verletzten im Krieg wird allerdings geheim gehalten. Seit Monaten wird in der Ukraine heftig über die Einberufung in die Armee diskutiert. Und für die ukrainische Armee wird es immer schwieriger, Freiwillige für den Einsatz an der Front zu finden.
Der Bedarf: Mit der Verhängung des Kriegsrechts nach dem russischen Grossangriff wurde Männern im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise aus der Ukraine mit wenigen Ausnahmen verboten. Eingezogen wurden bisher jedoch nur Männer im Reservistenalter ab 27. Angesichts der schweren Lage an der Front hatte Präsident Selenski vor einigen Monaten den Zusatzbedarf an Soldaten mit bis zu 500'000 angegeben. Laut dem neuen Armeechef Olexander Sirski ist die Zahl allerdings etwas hoch gegriffen.
Für die Ukraine geht es um das Überleben als Staat, als Nation.
Die Drückeberger: Immer wieder gab es Berichte, wonach sich junge Männer von einer Einberufung freikauften – mithilfe korrupter Beamter. «Das Ausmass dürfte allerdings nicht riesig sein», sagt der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy. Er lebt in Kiew. In gewissen Einzelfällen hätten zwar bis zu 10'000 Euro den Besitzer gewechselt, damit ein Betroffener als kriegsdienstuntauglich eingestuft wurde. Doch bei einer Million Angehörigen in der Armee gehe es um vergleichsweise wenige Fälle. Jetzt wird parallel zur Herabsetzung des Einberufungsalters auch ein Beschluss über verschärfte Mobilmachungsregeln erwartet.
Das Schicksal akzeptieren: «Natürlich gibt es auch Männer, die nicht in den Krieg wollen und sich verstecken», sagt Trubetskoy. Doch in der Mehrheit fügten sich die Betroffenen ihrem Schicksal: Wer in der Ukraine eingezogen werde, akzeptiere meist, dass es jetzt auch an ihm sei, das Land zu verteidigen. «Schliesslich geht es für die Ukraine um das Überleben als Staat, als Nation.» Das grössere Problem sei, dass viele Ukrainer nicht bei den Behörden gemeldet seien und somit auch nicht zur Musterung aufgeboten werden können.