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Wohnen im Alter Frauen-WG in London will nichts mehr von Männern wissen

26 Frauen gehen ihren Weg: Im Norden Londons haben sie eine Hausgemeinschaft aufgebaut, in der sie den Lebensabend verbringen wollen – ohne männliche Mitbewohner. Männer sind nur als Gäste geduldet.

Strich um Strich erweckt sie das Gesicht einer älteren Frau zum Leben. Den Kohlestift führt Hilary Vernon-Smith. Die 70-Jährige arbeitet konzentriert in ihrem Malatelier, dessen Wände dicht behängt sind mit Porträt- und Aktzeichnungen. Auch nackte Männer sind zu sehen.

«Sehen Sie: Es gibt viele Männer hier», lacht die Künstlerin verschmitzt. «Es sind Freunde, Brüder oder Enkel. Sie dürfen uns besuchen; hier wohnen aber nicht», stellt sie gleich klar.

Zwei Zeichnungen von nackten Männern
Legende: «Es gibt viele Männer hier.» Die Kohlezeichnungen von Hilary Vernon-Smith. SRF

Hilary Vernon-Smith ist eine von 26 Frauen, die seit sieben Jahren in einer Hausgemeinschaft leben, welche Frauen über 50 vorbehalten ist. «Wir haben nichts gegen Männer», betont sie. «Doch Männer unserer Generation sind gegenüber uns Frauen finanziell meist bessergestellt. Sie können sich mit eigenen Mitteln eine gute Wohnsituation fürs Alter leisten.»

Mehr als eine Alterssiedlung

Neben dem Atelier umfasst Vernon-Smiths Neubauwohnung einen offenen Wohn- und Küchenbereich und ein Schlafzimmer. Ihr Wohnraum ist gegen Süden ausgerichtet – auf den grossen Gemeinschaftsgarten und das dreigeschossige Gebäude, in dem gut die Hälfte der Bewohnerinnen in Ein- bis Dreizimmerwohnungen lebt.

Frau beim Zeichnen
Legende: Hilary Vernon-Smith in ihrem Atelier. SRF

«Wir kennen uns nicht erst, seit wir hier eingezogen sind», erklärt Hilary Vernon-Smith. «Die Idee der Hausgemeinschaft für Frauen über 50 hat uns zusammengebracht.» Sie haben das Projekt gemeinsam entwickelt, haben Geldgeber gesucht, Bewilligungen eingeholt und den Bau gemeinsam überwacht. «Das hat uns zusammengeschweisst.»

Was ist Cohousing? Und was ist anders als in WGs?

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Genossenschaftliches Wohnen ist in der Schweiz seit über hundert Jahren verankert und hat zum Ziel, kostengünstiges Wohnen zu ermöglichen. Wer in einer Genossenschaft wohnen will, muss sich mit einem Anteilschein in die Genossenschaft einkaufen und erwirbt damit das Recht, eine Wohnung zu mieten, die allerdings im Besitz der Genossenschaft bleibt.

Cohousing unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von klassischen Genossenschaften: Beim Cohousing wird viel Wert auf gemeinschaftliches Leben und auf gemeinsame Aktivitäten gelegt. Und: Die Mitglieder einer Cohousing-Gemeinschaft können ihre Wohnungen kaufen und weiterverkaufen. Letzteres allerdings unter strengen Auflagen – und nur an Personen, die von der Cohousing-Gemeinschaft gutgeheissen werden.

Vernon-Smith hat vor bald 20 Jahren erstmals von der Idee gehört. Da arbeitete sie noch als Kulissengestalterin am Nationaltheater und begann sich mit gut 50 Jahren Gedanken zu machen, wo, wie und mit wem sie den dritten Lebensabschnitt verbringen möchte. «Mir war klar, dass ich in einer Gemeinschaft leben und trotzdem meinen eigenen Lebensraum haben möchte.»

Entscheide fallen einstimmig

Ihren Traum haben die 26 Frauen wahrgemacht. Ihre Siedlung umfasst neben den 25 Wohnungen mit Terrasse oder Balkonen auch einen grossen Gemeinschaftsraum mit Küche – mit direktem Zugang zum Gemeinschaftsgarten. «Da ist immer etwas los», erzählt die 94-jährige Hedi Argent. Sie ist die Doyenne der Gemeinschaft.

Fünf Frauen sitzen an einem Tisch.
Legende: Im Gemeinschaftsraum der Hausgemeinschaft sitzt Hedi Argent (oranges Shirt) zusammen mit vier weiteren Bewohnerinnen. SRF

Neben den spontanen Tee- und Scones-Runden treffen sich hier alle Bewohnerinnen einmal im Monat zur Hausversammlung. Da werden alle anstehenden Probleme besprochen und Lösungen gesucht: Von der Waschmaschine, die revidiert werden muss, bis zur Dachrinne, die verstopft ist – zum Beispiel. «Alle Entscheide fällen wir einstimmig», sagt Hedi Argent. «Das gibt viel zu reden. Denn wir teilen zwar dieselben Werte, sind aber oft unterschiedlicher Meinung. Wir sind keine Klone. Und das ist gut so.»

Hedi Argent hat die ganze Planungs- und Bauphase miterlebt und mitgeprägt. «Die Baubewilligung zu bekommen, war schwierig.» Die Baubehörde habe lange gezögert, die Siedlung für Frauen über 50 zu bewilligen. «Sie befürchteten, dass die Sozialkosten steigen könnten, wenn plötzlich 26 ältere Frauen in der Gemeinde leben würden. Das Gegenteil ist eingetreten: Wir schauen uns gegenseitig und laufen nicht Gefahr, zu vereinsamen. Das hält gesund – und spart Kosten.»

 

Gemeinschaftliches Wohnen kommt in Grossbritannien in Mode

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Hedi Argent und Hilary Vernon-Smith sind zwei von 26 Pionierinnen des New-Ground-Cohousing-Projektes. Es ist die erste Hausgemeinschaft dieser Art in Grossbritannien. Und das Frauenprojekt erregt Aufsehen. «Wir beraten Frauen, die eine Gemeinschaft gründen wollen», sagt Hedi Argent. «Wir haben auch eine Liste von Frauen, die schon morgen bei uns einziehen möchten.» Doch das brauche Geduld. Seit dem Einzug vor sieben Jahren seien erst zwei Wohnungen freigeworden. «Auf die Warteliste dürfen nur jüngere Frauen, mit gut 50», sagt die 94-Jährige mit klarem Blick. «Sonst sind sie zu alt, wenn sie an die Reihe kommen.»

Gemeinschaftliches Wohnen verbreitet sich in Grossbritannien zunehmend, wie eine Auswertung des UK-Cohousing-Netzwerkes zeigt: 19 Hausgemeinschaften sind in Betrieb. Über 60 weitere sind in Planung oder im Bau.

In Dänemark, den Niederlanden und Deutschland hat sich Cohousing seit den 1970er-Jahren stark verbreitet. In Dänemark lebe bereits 1 Prozent der Bevölkerung gemeinschaftlich, schreibt das UK-Cohousing-Netzwerk auf seiner Webseite. Das entspreche rund 50'000 Personen.

10vor10, 5.10.2023, 21:50 Uhr

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