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3:3 gegen Belarus Die Schweizer Nati auf der Suche nach sich selbst

Die Resultate stimmen nicht, die Auftritte noch weniger. Was läuft derzeit schief in der Nati? Zwei Experten ordnen ein.

Die Fussballnationalmannschaft der Männer spielte in den letzten Jahren weit oben mit. Doch derzeit läuft es nicht. Von den letzten vier Spielen – allesamt gegen vermeintlich kleine Gegner – gewann die Nati gerade einmal eines. Die sicher geglaubte Qualifikation für die EM 2024 in Deutschland scheint in Gefahr. SRF-Kommentator Sascha Ruefer und der langjährige Trainer Rolf Fringer über die Baustellen bei der Nati.

Der Trainer

Im Jahr 2021 übernimmt ein alter Bekannter bei der Nati, dessen Ernennung dennoch viele überrascht. Nach acht Jahren Vladimir Petkovic heisst der neue Trainer Murat Yakin, seines Zeichens ehemaliger Innenverteidiger mit grossem Palmarès und 49-facher Nationalspieler. Yakins Trainerkarriere scheint jedoch ins Stocken geraten zu sein.

Sascha Ruefer: «Im Moment hat man das Gefühl, dass der Trainer die Mannschaft nicht erreicht und umgekehrt die Mannschaft nicht so richtig an die Arbeit und die Reputation des Trainers glaubt.»

Rolf Fringer: «Murat Yakin hat schon mehrmals gezeigt, dass er ein guter Trainer ist. Vor den letzten Spielen drehte sich vieles aber weniger um das Sportliche, sondern mehr über das rundherum.»

Die Karrierestationen von Murat Yakin

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Als Spieler

  • 1992 - 1997: Grasshopper Club Zürich
  • 1997 - 1998: VFB Stuttgart
  • 1998 - 2000: Fenerbahce Istanbul
  • 2000: FC Basel
  • 2000 - 2001: FC Kaiserslautern
  • 2001 - 2006: FC Basel

Als Trainer

  • 2009 - 2011: FC Thun
  • 2011 - 2012: FC Luzern
  • 2012 - 2014: FC Basel
  • 2014 - 2015: Spartak Moskau
  • 2017: FC Schaffhausen
  • 2017 - 2018: Grasshopper Club Zürich
  • 2018 - 2019: FC Sion
  • 2019 - 2021: FC Schaffhausen
  • seit 2021: Schweizer Nationalmannschaft

Der Verband

Seit der Doppeladler-Affäre 2018 wurde es nie mehr richtig ruhig um die Nati. Kritik gab es dabei zuweilen auch für den Schweizerischen Fussballverband – von aussen wie von innen. Nachdem Captain Granit Xhaka jüngst Kritik an der Trainingsintensität geäussert hatte, mussten die Verantwortlichen abermals öffentlich die Wogen glätten.

Sascha Ruefer: «Der Captain kritisiert den Trainer öffentlich und kassiert dafür nicht Tadel, sondern Lob. Das ist erstaunlich. Der Verband scheint die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Verbandsdirektor Pierluigi Tami wirkt verunsichert und der Verbandspräsident, Dominique Blanc, ist bislang überhaupt nicht in Erscheinung getreten.»

Rolf Fringer: «Der Verband sollte nach der Unruhe der vergangenen Wochen mal den Tarif durchgeben. Man muss sich aufs Wesentliche konzentrieren können: den Fussball.»

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Die Spieler

Der Kern der Nati spielt nun schon seit einigen Jahren zusammen – und das ziemlich erfolgreich. Seit nunmehr zehn Jahren hat man sich für jedes grosse Turnier qualifiziert. Der ganz grosse Erfolg blieb – mit Ausnahme des Sieges gegen Frankreich an der EM 2021 – bislang aber aus. Bei der letzten WM schied man im Achtelfinal gar mit 1:6 gegen Portugal aus. Nun stimmen auch die Resultate gegen die Kleinen nicht mehr.

Sascha Ruefer: «Die Spieler stehen definitiv in der Pflicht. In ihren Clubs bieten sie Leistungen auf höchstem Niveau, können diese aber innerhalb der Nationalmannschaft nicht abrufen.»

Rolf Fringer: «Mir scheint die Ernsthaftigkeit in den letzten paar Spielen abhandengekommen zu sein. Da ging es eher darum ‹wer von meinen Freunden erhält Tickets› oder ‹gegen die gewinnen wir sowieso›. Die Mannschaft ist jetzt in der Bringschuld.»

Fussballnationaltrainer Murat Yakin gibt seiner Mannschaft Anweisungen auf dem Trainingsfeld
Legende: Murat Yakin gibt seinen Spielern Anweisungen vor dem Spiel gegen Belarus (13.10.23) KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Der Fussball

FotMob, eine norwegische Fussball-App ermittelte kürzlich, dass die Schweiz in der EM-Qualifikation mit gut 74 Prozent den höchsten Ballbesitz-Wert aller Teams aufweist. Doch hinten fehlt die Absicherung. In den letzten vier Spielen kassierte die Nati sieben Gegentore. Und das gegen die Nummer 47, 111, 153 und 105 der Weltrangliste. Pikant: Trainer Yakin galt bislang eigentlich als Defensivspezialist.

Sascha Ruefer: «Der Verband muss definitiv über die Bücher, denn die Abwärtsspirale ist erkennbar. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo man sich gut überlegen muss, was nicht stimmt. Dazu gehört auch die Trainerfrage.»

Rolf Fringer: «Im November warten jetzt unter Umständen drei Spiele in sechs Tagen auf die Nati. Das ist happig. Aber dass man gestern noch das 3:3 erzielt hat, war ein gutes Zeichen.»

Tagesschau, 15.10.23, 22 Uhr ; 

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