Die Schweizer Stimmbevölkerung entschied am Sonntag: Der Eigenmietwert soll abgeschafft werden. Die Auswirkungen dieses Entscheids lassen sich momentan schwer abschätzen. Sicher ist: Die Steuereinnahmen werden zurückgehen.
Das trifft die Kantone und die Gemeinden. Der Kanton Graubünden bestätigt auf SRF-Anfrage, dass die Regierung mit Ausfällen in der Höhe von 90 Millionen Franken rechnet. Für den Kanton seien es 50 Millionen, für die Gemeinden 40 Millionen.
70 dieser geschätzten 90 Millionen Franken würden auf Zweitwohnungen fallen, heisst es vom Bündner Finanzdepartement. In einem touristischen Kanton wie Graubünden, wo der Zweitwohnungsanteil hoch ist, kann dies einschneidende Folgen haben.
Ein wegen der Objektsteuer skeptischer Gemeindepräsident
In Silvaplana im Engadin beispielsweise sind acht von zehn Wohnungen Zweitwohnungen – einer der höchsten Werte im Kanton. Entsprechend stark treffe die Abschaffung des Eigenmietwerts die Gemeinde. Gemäss Gemeindepräsident Daniel Bosshard verliert die Gemeinde so jährlich 1 Million Franken an Steuereinnahmen: «Das ist ein ziemlich hoher Betrag. Es ist wichtig, dass man möglichst schnell an Lösungen herangeht.»
Eine mögliche Lösung wäre eine Objektsteuer auf Ferienwohnungen. Eine solche wäre nach dem Volksentscheid vom Sonntag neu möglich. Dafür brauche es aber zuerst die gesetzliche Grundlage auf kantonaler Ebene. Erst dann könnten die Gemeinden eine Objektsteuer einführen, erklärt Bosshard.
Und dies sei ein langwieriger Prozess, so der Gemeindepräsident von Silvaplana: «Weil sich auch die Zweitwohnungsbesitzer dazu äussern würden, würde dies wahrscheinlich erneut eine langjährige Diskussion nach sich ziehen.» Am Schluss könnten also die Zweitwohnungsbesitzerinnen und -besitzer einen Unterschied machen, weil sie von der Objektsteuer direkt betroffen wären.
Ähnlich tönt es aus Pontresina. Auch hier befinden sich überdurchschnittlich viele Zweitwohnungen. Und auch hier werde es schwierig, eine Objektsteuer einzuführen, sagt Gemeindepräsidentin Nora Saratz Cazin. Die Diskussion sei mit der Abschaffung des Eigenmietwerts nun aber eine andere, das Verständnis für eine Objektsteuer grösser. Sie habe schon Zweitwohnungsbesitzer getroffen, die der Meinung seien, eine Objektsteuer sei eine «gute Lösung».
«So können die Zweitwohnungseigentümer ihren Beitrag am Erhalt und Unterhalt der Infrastrukturen leisten», sagt Saratz Cazin. Ob das einzelne Stimmen sind oder die Mehrheit so denkt, müsse noch evaluiert werden.
Mindestens zwei Jahre Schonfrist für Gemeinden
Auch der Gemeinde Pontresina fehlen mit der Abschaffung des Eigenmietwerts rund eine Million Franken pro Jahr an Steuereinnahmen. «Das wird bei uns sicher ein Thema sein die nächsten Jahre», so die Gemeindepräsidentin. «Ob wir gewisse Projekte zurückstellen können oder aufgeben müssen. Oder ob es eine Steuererhöhung gibt.» Damit der Finanzhaushalt in einem gesunden Rahmen behalten werden könne.
Den Gemeinden Pontresina und Silvaplana bleiben noch mindestens zwei Jahre. Frühestens 2028 verschwindet der Eigenmietwert. Bis die Verfassungsänderung in Kraft tritt, müssen die Gemeinden wissen, wie sie die Steuermindereinnahmen abfedern wollen. Der Kanton Graubünden prüfe eine Einführung der Objektsteuer, heisst es.