Manchmal sind Parteipräsidenten nicht zu beneiden. Vor allem dann nicht, wenn am Abstimmungssonntag alles anders kommt, als man denkt. Denn die Medien halten ihre Mikrofone trotzdem hin.
Beim Eigenmietwert deuteten die Umfragen auf einen Abstimmungskrimi hin. Bei der E-ID war das Ja Formsache. Am Ende kam’s genau umgekehrt. Bis zur Präsidentenrunde um 17 Uhr war der gedankliche «Reset» aber geschafft.
Geistervertreibung an der Urne
Die bürgerlichen Parteipräsidenten konzentrierten sich auf das (für sie) Wesentliche: Der Eigenmietwert wird abgeschafft. Die «ungerechte Geistersteuer», wie sie die FDP nennt, wurde vertrieben.
Heute haben wir die Kaufkraft vieler Menschen im Land gestärkt. Das Geld geht direkt in ihren Sack.
Philipp Matthias Bregy feierte gleich einen doppelten Erfolg – als neuer Präsident der Mitte und als Vorstandsmitglied des Hauseigentümerverbandes: «Heute haben wir die Kaufkraft vieler Menschen im Land gestärkt. Das Geld geht direkt in ihren Sack.»
FDP-Präsident Thierry Burkart sekundierte: Die Vorlage sei ausgewogen gewesen, schliesslich würden auch die Abzüge für Hauseigentümer wegfallen. «Hier wurde eine Steuer auf ein Einkommen erhoben, das es gar nicht gibt. Dieses System musste geändert werden.»
SVP-Präsident Marcel Dettling komplettierte die bürgerliche Phalanx: «Die Steuer wurde 1917 erstmals eingeführt, jetzt hat die Bevölkerung ein Machtwort gesprochen.» Statt immer neue Abgaben zu erheben, werde nun endlich einmal eine Steuer abgeschafft.
Vertrieben wurde aus bürgerlicher Sicht auch ein anderes Gespenst: Die SP schafft es nach der BVG-Reform und dem Autobahn-Ausbau nicht, eine weitere Vorlage zu fällen. Obwohl die Schweiz ein Volk von Mieterinnen und Mietern ist.
Die Niederlage tut auch weh, weil sie jemand bezahlen muss: nämlich der Mittelstand.
«Es ist uns nicht ausreichend gelungen zu vermitteln, dass diese Vorlage ein Preisschild hat», gab sich SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer selbstkritisch. «Die Niederlage tut auch weh, weil sie jemand bezahlen muss: nämlich der Mittelstand.» Schliesslich hätten bürgerliche Kantone bereits angekündigt, die Steuern zu erhöhen, um die Ausfälle zu kompensieren.
Für Meyer ist klar: Nun muss auch etwas für die Mieterinnen und Mieter im Land getan werden. «Sie müssen endlich entlastet werden – und zwar mit einem Renditedeckel, wie es unsere Initiative fordert.»
SP und SVP werben für ihre Initiativen
Hat jemand Initiative gesagt? SVP-Präsident Dettling liess sich nicht zwei Mal bitten – und will das Problem an einer anderen Wurzel packen: der Zuwanderung. «Wenn immer mehr Menschen ins Land kommen, kommen wir auch mit den Wohnungen nicht hinterher. Wir können nicht die ganze Schweiz zubetonieren.»
Die (vermeintliche) Lösung: Die Annahme der SVP-Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!». Der Nationalrat hat sich an der Herbstsession gegen das Begehren ausgesprochen. Entscheiden werden die Stimmberechtigten.
Mit Komplimenten in den präsidialen Ruhestand
Am Horizont zieht also bereits das nächste politische Donnerwetter herauf. Wobei der abtretende FDP-Präsident Burkart gleich deeskalierte: «Nach der Präsidentenrunde haben wir auch immer ein Glas Wein zusammen getrunken.» Und das werde auch heute so sein. «Denn diese schweizerische Polittugend dürfen wir auf keinen Fall verlieren.».
Burkart liess es sich nicht nehmen, sich bei Nathalie Christen für die faire und kompetente Moderation über die Jahre zu bedanken. Damit endete die Präsidentenrunde – mit einer gerührten Journalistin, deren Gesicht dann doch etwas errötete.