Mit der Umsetzung der «Masseneinwanderungsinitiative», die vor genau drei Jahren vom Volk angenommen wurde, sind viele unglücklich, am meisten wohl die Initiantin, die SVP.
Lukas Reimann, SVP-Nationalrat, stellt deshalb nochmals klar: «Die Initiative wurde null umgesetzt», und er bestätigte, was in dieser Deutlichkeit noch kaum gesagt wurde: «Wir machen eine Initiative und sie wird die Kündigung der Personenfreizügigkeit beinhalten.» Dem Stimmvolk wird also erneut die Zuwanderungsfrage gestellt werden.
Allerdings spricht Reimann in der Sendung nicht im Namen der SVP sondern für die Aktion für eine unabhängige Schweiz (Auns), die die Initiative lancieren wird. Am 6. Mai soll es soweit sein. FDP-Nationalrat Philipp Müller begrüsst das Vorhaben, man erwarte den Schritt – eigentlich von der SVP –, schon seit Jahren. Aber Müller warnt: «Bitte keine erneute Schlaumeierei, wir brauchen Klartext».
Mit Schlaumeierei meint Müller, dass sich nicht wiederholen dürfe, was die grosse Schwierigkeit bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war: Einerseits Verhandlungen mit der EU fordern, aber offen lassen, was geschehen soll, wenn Brüssel eben nicht mit sich verhandeln lasse.
Die Auns-Initiative wird die Kündigung der Personenfreizügigkeit beinhalten.
Nun, genau bei dieser Frage sind neue Unwägbarkeiten programmiert, denn Lukas Reimann sagt auch: «Wir werden (in den Initiativtext) reinschreiben, dass wir weiterhin bilaterale Verträge mit der EU wollen. Wir können sie neu aushandeln.» Die Briten, ist Reimann überzeugt, würden bei den Brexit-Verhandlungen nun vormachen wie das möglich sei.
Was bringt das Umsetzungsgesetz
Lanciert ist die Kündigungsinitiative noch nicht. Mitten in der Unterschriftensammlung ist hingegen SP-Mann und Politikwissenschaftler Nenad Stojanovic; für das Referendum zum Umsetzungsgesetz der Masseneinwanderungsinitiative. «Wir möchten, dass das Volk das letzte Wort hat», so Stojanovic.
Im Kern geht es beim Gesetz um den «Inländervorrang light», der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, Stellen bei den Arbeitsvermittlungszentren auszuschreiben. Das steuert zwar nicht direkt die Zuwanderung, soll jedoch den Arbeitslosen helfen und Befürchtungen entgegenwirken, die beim Ja zur Masseneinwanderungsinitiative eine Rolle gespielt haben dürften: Angst vor Jobverlust und Langzeitarbeitslosigkeit.
Geben sie dem Gesetz eine Chance.
«Geben sie dem Gesetz eine Chance», wirbt Philipp Müller. Die Runde ist sich zwar nicht bezüglich Vorlage einig, aber doch darin, dass es beim Thema Arbeitslosigkeit Handlungsbedarf gibt. «Es braucht einen besseren Schutz von älteren Arbeitnehmern, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Mindestlöhne, die eingehalten werden», sagt Rechtsprofessor Thomas Geiser. Die Probleme hätten jedoch, wenn überhaupt, nur ganz am Rande mit der Personenfreizügigkeit (PFZ) zu tun.
Reimann entgegnet: «Dass Menschen ab 50 keinen Job mehr finden, ist ein Problem der PFZ». Obwohl eigentlich ein grosser Sympathisant von Volksentscheidungen, unterstützt er das Referendum nicht. Man wolle nicht einfach zurück zum Status Quo, sondern eben einen Schritt weiter.
Für Philipp Müller hingegen ist klar: «Wenn das Volk dem Referendum zustimmt und das Gesetz versenkt, muss der Bundesrat eine Verordnung machen.» Und dies dürfte heissen: Kontingente und Höchstzahlen bei der Zuwanderung.
Die Rasa-Initiative – ein Geschenk an die SVP?
Neben Kündigungsinitiative und Referendum steht auch das Rasa-Volksbegehren an, das die Masseneinwanderungsinitiative gleich ganz rückgängig machen will. Die Unterschriften sind gesammelt, es wird zur Abstimmung kommen, aber ist das eigentliche Anliegen der Initianten überhaupt noch gültig?
Moderator Jonas Projer wirft die Frage auf, ob die Initiative nicht zu einem Zeitpunkt eingereicht wurde, als noch eine harte Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative im Raum stand – wie die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit oder gleich der ganzen Bilateralen.
Initiant Thomas Geiser verteidigt: Mit der jetzigen Umsetzung habe man einen krassen Widerspruch zur Verfassung, den man rückgängig machen müsse und ausserdem dürfe sich «das Volk auch zweimal zum gleichen Thema eine Meinung bilden».
Ziehen Sie ihre Initiative zurück.
Gleichzeitig zeigt sich Geiser dialogbereit: «Wir haben immer gesagt, kommt ein besserer Vorschlag, gehen wir darauf ein.» Stojanovic fordert dies prompt ein: «Ziehen Sie ihre Initiative zurück und unterstützen sie unser Referendum. Denn falls Rasa vom Volk abgelehnt wird – und dies ohne Gegenvorschlag – ist das vor allem ein Geschenk an die SVP.»