Zum Inhalt springen

Beznau reduziert Betrieb Hitze trifft Stromproduktion: Kommen wir noch durch den Winter?

Das AKW Beznau muss die Leistung der beiden Reaktoren wegen der Hitze leicht reduzieren. Dies, weil es keinen Kühlturm hat und das Aarewasser zum Kühlen braucht. Gewisse Flussabschnitte würden sich sonst wegen des warmen Wassers aus dem Kernkraftwerk zu stark aufheizen und damit die Fische gefährden. Jürg Rauchenstein ist Spezialist für Stromnetze bei der schweizerischen Elektrizitätskommission Elcom. Der Experte erklärt, wie es um die Schweizer Stromversorgung steht.

Jürg Rauchenstein

Spezialist für Stromnetze, Elcom

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Jürg Rauchenstein ist diplomierter Elektroingenieur ETH und seit 2016 als Fachspezialist Netze und Europa im Fachsekretariat der Elcom tätig. Die Elcom überwacht in der Schweiz die Stromversorgung.

SRF News: Was bedeutet es für die Stromversorgung in der Schweiz, wenn Beznau weniger Strom produziert?

Jürg Rauchenstein: Kurzfristig ist das kein grosses Problem. Die fehlende Produktion von Beznau kann anderweitig ersetzt werden. Das passiert entweder durch zusätzliche Speicherproduktion auf den Schweizer Stauseen oder aber durch Importe, dann stammt die Produktion vor allem aus Gaskraftwerken.

Auf längere Sicht ist das aber heikel. Bekanntlich könnten wir im nächsten Winter in eine schwierige Situation laufen. Alles, was jetzt aus Stauseen oder aus Gaskraftwerken produziert wird, fehlt dann allenfalls im Herbst oder Winter in den Speichern.

Wie stark könnte die aktuelle Hitzewelle die Stromknappheit im Winter verschärfen?

Rein auf die Schweiz bezogen ist der Einfluss des Leistungsrückgangs von Beznau nicht so gross. Wegen der Trockenheit produzieren aber auch die Flusskraftwerke weniger. Das grösste Problem ist jedoch: Wenn die Trockenheit anhält, kann es passieren, dass die Stauseen im Herbst nicht alle gefüllt sind. Schon in normalen Jahren sind wir Ende Winter auf Importe angewiesen. Wenn die Stauseen nicht gefüllt sind, müssen wir dann umso mehr importieren.

Sollten die russischen Gaslieferungen ausbleiben, wird es kritisch.

Dabei wird sich die Frage stellen, ob das europäische Umland selber über eine genügende Produktion verfügt. Zum einen ist im kommenden Winter zu erwarten, dass in Frankreich die Kernkraftwerke aufgrund von notwendigen Revisionen schlecht verfügbar sind. Zum anderen gibt es grosse Unsicherheit darüber, ob Russland weiterhin Gas liefern wird. Wenn es das tut, wird die Produktion genügend gross sein – sodass wir jederzeit Strom importieren können. Sollten die russischen Gaslieferungen ausbleiben, wird es kritisch.

Sie verfolgen die Situation im europäischen Strommarkt. Wie stark beeinflussen die Hitzewelle und die warmen Flüssen die Stromproduktion im Ausland?

Im Moment ist der Einfluss noch klein. Wenn die Hitze und Trockenheit aber anhalten, kann es passieren, dass auch in ausländischen Grosskraftwerken die Leistung reduziert werden muss. Schlimmstenfalls müssen Kraftwerke sogar abgestellt werden. Ein weiteres Problem könnte werden, dass der Transport von Brennstoffen bei tiefen Flussständen schwierig wird. Dies insbesondere bei Kohlekraftwerken. So könnte der Nachschub fehlen.

Was kann die Elcom dagegen unternehmen?

Wir sind daran, auf den kommenden Winter eine Wasserkraftreserve zu implementieren. Bei einer europaweiten Mangellage ist der Nutzen aber nicht sehr gross. Im Moment wird geprüft, ob allenfalls kurzfristig Gasturbinen installiert werden könnten, die auch mit Öl befeuert werden können. Netzseitig erörtern wir mit Swissgrid, ob man die Import-/Exportkapazitäten erhöhen kann. Aus Schweizer Sicht hilft es, wenn man in der Nacht mehr importieren kann. Wenn die Produktion im europäischen Umland genügend hoch ist, kann man in dieser Zeit hochpumpen – und dann am Tag wieder produzieren, wenn kein Import möglich ist.

Das Gespräch führte Raphaël Günther.

SRF 4 News, 18.07.2022, 07:20 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel