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Bundesplatz in Bern Longchamp: «Gute Gründe für Demonstrationsverbot vor Bundeshaus»

Der Bundesplatz in Bern ist von Klima-Aktivisten besetzt. Diese Aktion ist illegal. Der Politologe Claude Longchamp erklärt, wieso das so ist.

Claude Longchamp

Historiker und Politikwissenschaftler

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Claude Longchamp ist Historiker und Politikwissenschaftler. Bis April 2017 war er Geschäftsführer des Forschungsinstituts gfs.bern. Er war viele Jahre als Experte beim Schweizer Fernsehen für Abstimmungen im Einsatz.

SRF News: Was ist auf dem Bundesplatz erlaubt?

Claude Longchamp: An sich ist die Sachlage klar. Es gibt seit 1925 ein Kundgebungsverbot. Das waren die Zeiten unmittelbar nach dem Generalstreik. Inzwischen hat sich der Bundesplatz verändert und ist zu einem repräsentativen Platz geworden. Das macht ihn attraktiv für den Markt, für politische Veranstaltungen, für Kultur und Sport.

Ich habe gestern Parlamentarier begleiten können, die ins Bundeshaus gegangen sind, die hatten sogar Freude an dem Camp.

So eindeutig ist das Reglement aber heute nicht. Denn es lässt Ausnahmen bei Kundgebungen zu, beispielsweise bei historisch traditioneller Orientierung einer Veranstaltung. Das ist die Klima-Demo definitiv nicht. Sie ist aber von grossem öffentlichem Interesse. Es braucht eine Bewilligung, und diese lag am Montagmorgen nicht vor. Das ist die Schwachstelle für die Klima-Demonstrierenden.

Weshalb diese Zurückhaltung bei Demonstrationen auf dem Bundesplatz während der Session?

Es ist möglich, dass es zu Gewalttätigkeiten kommt. Da wäre die Sachlage eindeutig. Das war gestern und heute, soweit ich das gesehen habe, nicht der Fall. Ich habe gestern Parlamentarier begleiten können, die ins Bundeshaus gegangen sind. Die hatten sogar Freude, die haben sich interessiert. Niemand wurde am Hineingehen gehindert.

Aber es besteht das Potenzial für Lärm und Emissionen, die die Würde der Parlaments-Verhandlungen stören würde. Man darf nicht vergessen: In vielen anderen Ländern wäre 500 Meter um das Parlament alles abgesperrt.

Ist der symbolträchtige Platz der Grund, warum darüber gestritten wird?

Nein. Es gibt schon Unterschiede im Verständnis und der Verwendung dieses Platzes durch die Stadt Bern auf der einen Seite und durch das Parlament auf der anderen Seite. Die Grünen haben in den letzten zehn Jahren Vorstösse unternommen, um das Kundgebungsverbot zu lockern. Sie sind damit regelmässig gescheitert.

Umgekehrt haben sie in der Stadt eine Motion durchgebracht, die ein pragmatisches Vorgehen gewünscht hat. Seither gibt es diese unterschiedlichen Auffassungen.

Die Stimmung kann schnell kippen, wenn man zu stur auf seinem Standpunkt besteht.

Gestern hat der Nationalrat praktisch geschlossen beschlossen, dass das Recht durchgesetzt werden muss. Die Stadt Bern verfolgt aber eine Dialogstrategie. Sie versucht, gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstrierenden zu vermeiden. Deshalb hat sie auch vorgeschlagen, die Veranstaltung zu bewilligen, aber auf dem Waisenhausplatz.

Ein weiterer Streitpunkt ist der Zeitpunkt. Aus Sicht der Aktivistinnen und Aktivisten ist es sinnvoll, zu demonstrieren, wenn die Politikerinnen und Politiker in Bern sind.

Da kann man Verständnis haben. Man will ja die Auseinandersetzung. Umgekehrt muss man sagen, der Waisenhausplatz, den die Stadt angeboten hat, liegt nur 250 Meter vom Bundeshaus entfernt. Dort wäre es unproblematisch. Gestern hatten die Streikenden die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite. Doch die Stimmung kann schnell kippen, wenn man zu stur auf seinem Standpunkt besteht.

Die Forderung ist, dass die Klimaziele bis 2030 umgesetzt werden, nicht bis 2050, wie das Parlament beschlossen hat. Dieser Konflikt muss ausgetragen werden. Ob das unmittelbar vor dem Bundeshaus stattfinden muss, da kann man geteilter Meinung sein.

Sollten die Demonstrierenden das Angebot der Stadt Bern annehmen?

Ich finde, es wäre gut, dieses Angebot anzunehmen, denn es wäre gut, wenn diese Aktionswoche die ganze Woche dauern würde.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 22.09.2020; 12:15 Uhr; ; 

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