Die wochenlange Geheimhaltung war zu Ende. Endlich hatte das Aussendepartement das mit der EU ausgehandelte Vertragspaket publiziert. Die Parteien bezogen sofort Stellung. Etwa SVP-Nationalrat Franz Grüter in der Fernsehsendung «Arena»: «Wer jetzt das Gefühl hat, ein solcher Unterwerfungsvertrag sei die Lösung für die Schweiz, irrt. Im Gegenteil: Die Schweiz wird nach unten nivelliert.»
Auch Grüters Partei- und Ratskollege Nicolas Kolly aus Freiburg hielt mit Kritik nicht zurück. In der Debattensendung «Forum» im Westschweizer Radio RTS sprach er von einem schwarzen Freitag für die Souveränität und Unabhängigkeit der Schweiz.
So scharf Kolly in der Debatte im Westschweizer Radio die EU auch kritisierte – es wurde klar: Die SVP wird in der Romandie mit ihrer Kritik am EU-Abkommen einen schweren Stand haben.
Ich war in der ersten Debatte überrascht von der sehr pro-europäischen Haltung der Vertreter von Mitte und FDP.
Kampfbegriffe wie «Unterwerfungsvertrag» haben im Französischen bislang nicht verfangen. Sowohl Schweiz-Patriotismus als auch EU-Bashing ziehen in der Romandie weniger. Die Wählerstärke der SVP ist in der Romandie über zehn Prozent tiefer als in der Deutschschweiz.
Dazu kommt, dass in der Westschweiz die bürgerliche Mitte geschlossen für das EU-Abkommen ist, anders als in der Deutschschweiz. Das hat auch Nicolas Kolly bemerkt: «Ich war in der ersten Debatte überrascht von der sehr pro-europäischen Haltung der Vertreter von Mitte und FDP.»
Die Romandie war im Dossier Schweiz-EU immer etwas mehr bereit, mitzuarbeiten – ohne Ja und Aber.
Damien Cottier, Nationalrat und Fraktionschef der FDP, bestätigt den Eindruck: «Die Haltung ist allgemein ziemlich offen und positiv zu diesem Dossier – das stimmt.» Der Neuenburger verweist darauf, dass man sich in der Romandie stets um gute Beziehungen zu Brüssel bemühte: «Die Romandie war im Dossier Schweiz-EU immer etwas mehr bereit, mitzuarbeiten – ohne Ja und Aber.»
Gerade bei ihm hänge das auch mit seiner Neuenburger Herkunft zusammen, sagt Cottier und verweist darauf, dass sein Kanton 80 Prozent seiner Industrieproduktion exportiert. Wer seine Produkte exportieren wolle, bemühe sich um gute Aussenhandelsbeziehungen. In der Innerschweiz sei das eben anders.
Für SVP-Mann Nicolas Kolly ist klar: Hilfe aus der bürgerlichen Mitte und von der FDP wird er in den kommenden Monaten keine bekommen. Dem Freiburger bleibt die Hoffnung, dass in der Romandie allenfalls die SP und die Gewerkschaften das EU-Vertragspaket ablehnen.
Wir sind sicher, dass diese Abkommen sehr gut sind für die ganze Schweiz.
Doch SP-Nationalrat und Co-Fraktionschef Samuel Bendahan dementiert: «Wir sind sicher, dass diese Abkommen sehr gut sind für die ganze Schweiz.» Die Linke hat inzwischen bekommen, was sie verlangte. Man habe gekämpft für einen besseren Lohn- und Kündigungsschutz. Das vorliegende Paket sei jetzt gut.
Und der interne Röstigraben?
Dass sich bei der Debatte rund um das EU-Abkommen selbst in seiner eigenen Partei ein Röstigraben auftut, beunruhigt FDP-Nationalrat Damien Cottier nicht: «Das ist die Schweiz mit ihren verschiedenen politischen Kulturen in den Sprachregionen.» Wichtiger sei, dass die Deutsch- und Westschweiz am Ende geeint hinter dem Entscheid zum EU-Vertragspaket stehen.