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Digitec-Gründer zu IT-Desaster Kann der Bund digital nicht, Herr Dobler?

Am Anfang der Pandemie wurden die Fallzahlen per Fax übermittelt. Bis eine elektronische Erfassung möglich war, brauchte es eine Hauruck-Übung. Die digitale Anmeldung zur Impfung funktioniert nicht und jetzt muss der Vorläufer des elektronischen Impfpasses wegen Datenschutzmängeln vom Netz genommen werden. FDP-Nationalrat und Digitec-Gründer Marcel Dobler übt scharfe Kritik am Bund.

Marcel Dobler

Nationalrat (FDP/SG)

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Marcel Dobler wurde 2015 für die FDP des Kantons St. Gallen als Quereinsteiger in den Nationalrat gewählt. 2019 schaffte er die Wiederwahl. 2001 hatte Dobler zusammen mit zwei Geschäftspartnern das Online-Versandunternehmen Digitec gegründet, welches unterdessen mehrheitlich der Migros gehört. Zudem ist er Präsident von ICTswitzerland, dem Dachverband der digitalen Wirtschaft. Dobler ist ehemaliger Bobfahrer und Zehnkämpfer.

SRF News: Wie konnte es zu all diesen Pannen kommen?

Marcel Dobler: Es war schon im letzten Sommer klar, dass diverse Apps, Daten und Softwares für evidenzbasierte Entscheide nicht vorhanden waren. Der Sommer ist dann verstrichen, ohne dass man wirklich etwas gemacht hätte. Vonseiten des Bundes wurde immer wieder gesagt, dass die Gesetzesgrundlage fehlen würde.

Es stellt sich die Frage, ob der Datenschutz über der Gesundheit und Menschenleben stehen soll.

Es ist für mich unverständlich, wenn man in die Grundrechte eingreift und die Wirtschaftsfreiheit abschafft, aber dann eine Impfapp nicht erstellen kann oder auch Kantone nicht zur Lieferung von Daten verpflichtet werden können – nur, weil eben eine Gesetzesgrundlage fehlt.

Für die gesetzlichen Grundlagen wären auch Sie als Parlamentarier zuständig. Hat auch das Parlament zu langsam gehandelt?

Das Problem ist, dass wir nur während der Sessionen Vorstösse einreichen können. Genau darum haben wir im Covid-Gesetz definiert, dass eine gesetzliche Grundlage für eine Impfapp geschaffen wird und dies nicht mehr ausgelagert werden muss, wie auf meineimpfungen.ch.

Bisweilen ist es auch das Parlament, das bremst. Bei der Swiss-Covid-App zum Beispiel haben die Räte strenge Datenschutzbestimmungen erlassen, was die Einführung der App verzögert hat.

Das ist eine berechtigte Diskussion. Es stellt sich die Frage, ob der Datenschutz über Gesundheit und Menschenleben stehen soll. Ich glaube, dass beim Datenschutz kein sehr ausgewogener Entscheid gefällt wurde. Hier hätte der Bundesrat mehr mit den Kommissionen reden müssen und diese miteinbeziehen sollen.

Muss man nicht ganz grundsätzlich sagen, dass diese Pandemie alles Erwartbare übertrifft und deswegen Fehler bei der Pandemie-Bekämpfung fast unvermeidlich sind?

Das Grundproblem ist, dass das Personal innerhalb des Bundesamts für Gesundheit eingestellt wurde, um Gesetze für den Normalbetrieb zu machen. Für diese Aufgabe sind die Leute sehr gut qualifiziert. Diese Krise ist aber völliges Neuland. Wenn eine Person das erste Mal im Leben solche Impfstoffe einkaufen oder sich um solche Apps kümmern muss, ist sie überfordert. Genau das zeigt sich jetzt.

Der Bundesrat ist jetzt wirklich gefordert mit der Wirtschaft und den kompetenten Leuten zusammenzuarbeiten.

Das Problem ist, dass verschiedene Verbände und Personen dem Bund immer wieder Hilfe angeboten haben, diese Mails aber gar nicht oder erst nach einem Monat beantwortet werden. Der Bundesrat ist jetzt wirklich gefordert mit der Wirtschaft und den kompetenten Leuten zusammenzuarbeiten. Er muss sich bei diesen Themen Hilfe holen.

Das Gespräch führte Daniel Foppa.

Rendez-vous vom 24.03.2021, 12:30 Uhr ; 

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