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Einfluss durch Rollenbilder Warum mehr junge Männer Technikberufe wählen als junge Frauen

Wer kann Technik? Eine neue Studie zeigt auf, wie stereotypische Rollenbilder über die Berufswahl mitentscheiden.

Tausende junge Menschen in der Schweiz treten in diesen Tagen ihre Berufslehre an. Und noch immer zeigt sich: Junge Frauen interessieren sich tendenziell seltener als junge Männer für Berufe in der IT-Branche, bei Elektronikunternehmen oder in der Industrie.

Warum das so ist, wurde nun wissenschaftlich untersucht. Ein Forschungsteam der Universitäten Bern und St. Gallen hat für eine Studie über 2000 Achtklässler kurz vor der Lehrstellenwahl getestet.

Experiment unter Achtklässlern

Die Schülerinnen und Schüler mussten in einem Experiment zwischen fiktiven Berufsbeschreibungen wählen, die sich in acht Merkmalen unterschieden. Fünf bezogen sich auf die geforderten Fähigkeiten – etwa technisches Wissen, Kreativität oder soziale Interaktion –, drei auf klassische Arbeitsplatzmerkmale wie Lohn, Teilzeitoptionen oder gesellschaftliche Relevanz.

Die Ergebnisse zeigen: Bei Lohn, Arbeitszeiten oder Sinnhaftigkeit der Arbeit gibt es kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern. «Was hingegen entscheidend ist, sind die geforderten Fähigkeiten», sagt Benita Combet, Professorin am Institut für Soziologie der Universität Bern und Co-Autorin der Studie.

Unsere gesellschaftliche Vorstellung, wer technische Fähigkeiten hat, ist sehr stark gegendert.
Autor: Benita Combet Professorin für Soziologie an der Universität Bern

Die jungen Frauen mieden im Experiment Berufe mit starkem technischem Fokus, während die jungen Männer diese attraktiv fanden. Kreative oder soziale Aufgaben sprachen hingegen besonders Frauen an. Laut Combet schätzen junge Frauen ihre technikspezifischen Fähigkeiten auch schlechter ein als junge Männer.

Mit genetischer Veranlagung habe das aber nichts zu tun, so die Soziologin. «Vielmehr ist unsere gesellschaftliche Vorstellung, wer technische Fähigkeiten hat, sehr stark gegendert», erklärt Combet. «Die grosse Frage ‹wer kann Technik?› wird eher den Jungs zugeschrieben.»

Stereotype aufbrechen

Gleichzeitig gibt es aber beispielsweise viele angehende Mediamatikerinnen. Der Grund dafür: Der Beruf an der Schnittstelle von Design, Informatik, Marketing und Kommunikation gilt laut der Forscherin nicht als klassische Männerdomäne.

Schüler vor Robotermodell
Legende: Eine wesentliche Erkenntnis der Studie: Wenn in einem Beruf Computer und neue Technologien häufig genutzt werden, erhöhen das bei jungen Männern die Wahrscheinlichkeit, dass sie diesen Weg einschlagen. Keystone / Gaetan Bally

In einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt, in der technologische Kompetenzen über Einkommen und Karriere entscheiden, wird die geringere Präferenz junger Frauen für technologieintensive Berufe laut der Studie bestehende Ungleichheiten verfestigen.

«Wenn wir geschlechtsspezifische Berufswahlmuster wirksam aufbrechen wollen, müssen wir bei den sich selbst zugeschriebenen Fähigkeiten ansetzen und diese aktiv von Stereotypen befreien», betont Combet. 

Technologie von Männern – für Männer

Combet nennt auch einen ganz praktischen Grund, warum es mehr Frauen in typischen Mint-Berufen braucht: Wenn Technik vornehmlich durch die männliche Brille betrachtet wird, kann das Frauen benachteiligen – und sogar fatale Auswirkungen haben: So seien Autounfälle lange Zeit nur mit «männlichen» Crash-Test-Dummies simuliert worden. Die Folge: Frauen trugen durch Airbags viel stärkere Oberkörperverletzungen davon als Männer.

Auch dass Handys häufig zu gross für Frauenhände sind, hat laut Combet einen einfachen Grund: Sie wurden von Männern für Männer entwickelt. Auch Sprachassistenten wie Siri würden bei Frauenstimmen schlechter funktionieren, schliesst die Soziologin. «Das zeigt, wie wichtig es ist, dass sich auch Frauen an diesen technischen Entwicklungen beteiligen. Sie haben einen anderen Blickwinkel und bringen andere Ideen ein.»

SRF 4 News, 18.8.2025, 8:47 Uhr ; 

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