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Einordnung durch Wissenschaft Was bewirken die verschärften Massnahmen?

An seiner ausserordentlichen Sitzung am Dienstag hat der Bundesrat die aktuelle Pandemie-Situation beurteilt. Weil die neue Virusvariante Omikron möglicherweise auch für Geimpfte hoch ansteckend und die Viruszirkulation hoch ist, könnte das Virus für die Schweiz problematisch werden. Der Bundesrat schlägt deshalb verschiedene verschärfte Massnahmen vor. SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis ordnet sie nach epidemiologischen Standpunkten ein.

Daniel Theis

SRF-Wissenschaftsredaktor

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Daniel Theis ist promovierter Atmosphärenchemiker und Mikrobiologe. Seine Spezialgebiete sind Energiethemen, Mobilität und technische Entwicklungen. Er arbeitet seit 2013 in der SRF-Wissenschaftsredaktion.

Ausweitung Zertifikatspflicht

Die Ausweitung der Zertifikatspflicht ist eine relativ milde Massnahme. Sie kann durchaus etwas bringen. Man muss sich aber bewusst sein, dass mit dem abnehmenden Impfschutz im Moment 3G-Anlässe auch nicht sicher sind. Insbesondere für Ungeimpfte können sie gefährlich sein, weil sie sich gerade auch bei Geimpften mehr anstecken könnten als noch vor ein paar Monaten.

Sobald der Impfschutz mit dem Booster aufgefrischt ist, sieht es wieder anders aus. Aber bis dahin ist generell eine gewisse Vorsicht an 3G-Anlässen ohne weiteres Schutzkonzept geboten. Im Moment wäre es deshalb sinnvoll, je nach Anlass, dass sich alle Personen vorher testen. Es gibt ja auch immer noch die Selbsttests für zu Hause, sie bieten keine absolute Sicherheit, aber sind doch eine weitere Möglichkeit, die Sicherheit zu erhöhen.

Die Ausweitung auf den privaten Bereich sehe ich eher als symbolischen Schritt. Ohne die mögliche Gruppengrösse weiter einzuschränken, ist es doch ein Hinweis darauf, dass man vorsichtig sein soll. Aber auch da könnten Selbsttests eine sinnvolle Ergänzung sein im Moment.

Ausweitung Maskenpflicht

Masken schützen vor Übertragungen. Je nach Ort und Anlass können sie durchaus als zusätzlicher Schutz helfen; etwa zusammen mit einer guten Lüftung, beispielsweise an Konzerten. Wo die Masken kaum etwas bringen ist dort, wo gegessen und getrunken wird. Trägt man eine Maske von der Eingangstür bis zum Tisch, schützt die Maske in einer direkten Unterhaltung, etwa mit Leuten, die man gerade zufällig noch trifft.

Das ist auch die Idee hinter der Massnahme mit der Sitzpflicht in der Bar, dass man in seiner Gruppe bleibt und sich nicht der ganze Raum durchmischt. Diese Massnahme kann Übertragungen einschränken.

Massnahmen am Arbeitsplatz

Homeoffice für alle, wo das möglich ist, sorgt für weniger Kontakte und kann darum helfen, die Übertragungen zu senken. Es gibt weniger Kontakte vor Ort und weniger Pendlerinnen und Pendler. Homeoffice ist auch bei einer Pflicht eine der milderen Massnahmen, die noch zur Verfügung stehen. Doch für sich alleine kann sie die aktuelle Welle sicher nicht stoppen, da ist vor allem auch das Freizeitverhalten der Menschen entscheidend.

Homeoffice-Pflicht für Ungeimpfte würde in erster Linie die Ungeimpften vor Ansteckungen am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsweg schützen. Das ist prinzipiell sinnvoll, denn im Verhältnis müssen deutlich mehr Ungeimpfte als Geimpfte ins Spital eingewiesen werden.

Ob man die Unterscheidung in Geimpfte und Ungeimpfte bei den Angestellten aber wirklich machen möchte, ist wiederum eine gesellschaftliche Frage. Eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz kann helfen, Übertragungen zu verhindern. Doch da kommt es auf die Arbeit und die Umgebung an. Eine generelle Pflicht würde aber Unklarheiten beseitigen und die Arbeitgeber aus der Verantwortung nehmen.

Repetitive Tests

Es gibt Studien von repetitiven Tests, die einen Erfolg zeigen, sodass Ansteckungsketten unterbrochen werden können. So wurde auch einer der aktuellen Omikron-Fälle bei einem repetitiven Test entdeckt. Der Aufwand ist allerdings nicht zu unterschätzten, vor allem wenn es immer mehr Infizierte gibt.

Bei Pooltests muss immer öfter nachgetestet werden, denn bei einem positiven Pooltest müssen die einzelnen Personen dann angeschaut werden. Repetitive Tests sind vor allem ein gutes Mittel, wenn das Virus nicht allzu stark zirkuliert. Eine Ausweitung, zum Beispiel auf Geschäftsbetriebe, ist zum jetzigen Zeitpunkt unter Umständen nicht zielführend.

Kürzere Gültigkeit Zertifikat für Getestete

Diese Massnahme bringt vermutlich nicht extrem viel aktuell. Denn das Hauptproblem ist eher, dass sich die Getesteten (die ja in der Regel die Nicht-Geimpften und Nicht-Genesenen sind) mit dem Virus anstecken und nicht, dass sie es weitergeben. Und Ansteckungen passieren im Moment, weil der Immunschutz nachlässt, auch vermehrt über Geimpfte und Genesene. Natürlich, ein Test, der weniger lang gültig ist, sorgt dafür, dass das Resultat sicherer ist, dass also die getestete Person mit einer höheren Wahrscheinlichkeit niemanden ansteckt.

Grenzkontrollen

Grenzkontrollen bringen kaum etwas, ausser man macht sie sehr konsequent. Zum Beispiel, dass bei einem ankommenden Flug alle Passagiere gleich noch am Flughafen einen Test machen müssen. Kontrollen der Binnengrenzen können im Schengenraum nur stichprobenweise gemacht werden, sonst ist es für Grenzgängerinnen und Grenzgänger nicht mehr möglich, zur Arbeit zu gehen. Insofern ist die Handlungsfähigkeit hier beschränkt.

Auch Massnahmen wie etwa Temperaturmessungen bringen nicht viel. Studien zeigen, dass sie praktisch unwirksam sind, weil man zu viele Fälle verpasst. Man müsste das Land also komplett schliessen. Das hat die Schweiz aber nicht einmal in der ersten Welle getan. Und auch da: Die Fälle waren bereits im Land, als die Diskussion der Grenzschliessung aufkam.

Verzicht auf Kapazitätsbeschränkungen

Je nachdem, wie stark man eingreifen möchte, sind Kapazitätsbeschränkungen wichtig. Doch wirklich wirksam wären sie wohl erst, wenn man nur noch kleinste Veranstaltungen zulässt. Doch sind die Veranstaltungen natürlich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Still im Kino sitzen ist etwas anderes, als ausgelassen an einem Konzert oder im Club zu feiern. Die Maskenpflicht für Veranstaltungen, wie wir sie ja auch schon einmal kurz hatten, ist ein Mittelweg, mit dem wohl die meisten gut leben können.

Tagesschau, 1.12.2021, 19:30 Uhr ; 

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