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Entscheid Frühfranzösisch Dagmar Rösler: «Man gibt auf, ohne Alternativen zu prüfen»

Zürich will Französisch aus der Primarschule verbannen. In der Romandie ist die Empörung gross. Während der Zürcher Lehrerverband den kantonalen Entscheid stützt, hat man im nationalen Verband keine Freude daran. Die Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, Dagmar Rösler, nimmt Stellung in der Samstagsrundschau von Radio SRF.

Dagmar Rösler

Präsidentin Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH)

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Die Primarlehrerin unterrichtet in Bellach (SO) eine vierte Klasse in einem Teilpensum. Dagmar Rösler wohnt in Oberdorf (SO), ist verheiratet und hat zwei schulpflichtige Töchter. Sie war achteinhalb Jahre Präsidentin des Verbands Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO). Seit August 2019 ist Dagmar Rösler Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Sie folgte auf Beat W. Zemp, der dieses Amt fast drei Jahrzehnte innehatte.

SRF: Frau Rösler, es ist der Aufreger der Woche. Der Kanton Zürich schafft den Französischunterricht in der Primarschule ab. Haben Sie sich auch aufgeregt, als Sie davon erfahren haben?

Dagmar Rösler: Ich war überrascht über den Entscheid. Dieser könnte wegweisend sein für andere Kantone, die sich das ebenfalls überlegen.

Ich habe eher den nationalen Blick und sehe, wie wichtig es ist, dass wir mit unseren Nachbarn in der Romandie eine gemeinsame Sprache sprechen.

Ihr Verband, der LCH, hat sich immer für zwei Fremdsprachen in der Primarschule ausgesprochen. Der Zürcher Lehrerinnen und Lehrerverband begrüsst nun aber den Entscheid. Fallen Ihnen die Zürcher in den Rücken?

Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Es gibt einfach verschiedene Perspektiven. Man kann mit einem kantonalen Blick finden, das sei eine Entlastung. Ich habe eher den nationalen Blick und sehe, wie wichtig es ist, dass wir mit unseren Nachbarn in der Romandie eine gemeinsame Sprache sprechen.

Sie haben eben Kolleginnen und Kollegen aus der Romandie getroffen. Was haben die Ihnen gesagt?

Sie sind «fachés», weil sie den Entscheid als Abwertung ihrer Kultur empfinden. Gleichzeitig sagen sie: «Das ist ja bei uns kein Thema. Wir lernen Deutsch. Warum ist das für euch ein so grosses Thema?»

Es gibt die Diskussion ja auch in anderen Kantonen. Ist denn Zürich speziell?

Zürich ist ein grosser Kanton, der tatsächlich für gewisse Entscheide wegweisend ist. Vor 20 Jahren hat der damalige Zürcher Bildungsdirektor Ernst Buschor gesagt: «Je früher man Sprachen lernt, desto nachhaltiger ist das.» Dann haben andere Kantone nachgezogen.

Frau Rösler, die Zürcher Lehrpersonen verweisen auf neue Studien, die zeigen, dass Schülerinnen und Schüler, die schon in der Primarschule Französisch lernen, am Schluss der Volksschule eigentlich nicht besser Französisch können als die, die erst in der Oberstufe damit anfangen. Ist das nicht ein schlagendes Argument zum Aufhören?

Ich verstehe diese Argumente und doch bin ich skeptisch. Wir haben zum ersten Mal die Grundkompetenzen überprüft. Die Resultate sind tatsächlich nicht berauschend. Die Frage ist jetzt einfach, ob wir bereits aufgeben. Ich finde, wir sollten zuerst andere Möglichkeiten prüfen.

Die Schule kann aber nicht gewährleisten, dass man am Ende der obligatorischen Schule mit Romands fliessend Französisch reden kann.

Ich höre nämlich auch sehr häufig, dass viele Lehrerinnen und Lehrer grundsätzlich gerne Französisch unterrichten, sich aber daran stören, dass sie dafür Noten verteilen müssen. Fremdsprachen sollten Spass machen.

Also müsste der Französischunterricht in der Primarschule noch spielerischer werden?

Spielerisch ist eben auch ein rotes Tuch. Ich finde, die Schule soll Basisstrukturen, einfache Grammatik, Wortschatz beibringen. Die Schule kann aber nicht gewährleisten, dass man am Ende der obligatorischen Schule mit Romands fliessend Französisch reden kann.

Sie haben gesagt, zwei, drei Stunden seien zu wenig. Aber mehr würde doch die ohnehin schon grosse Belastung der Schüler noch vergrössern?

Das ist tatsächlich so. Noch mehr Lektionen geht nicht. Aber dann muss man sich vielleicht überlegen, ob man das Ziel zu hoch gesteckt hat. Ich finde einfach, dass man nicht so schnell aufgeben sollte. Nur weil gewisse Kinder den Purzelbaum im Turnen in der sechsten Klasse nicht beherrschen, schaffen wir den Sportunterricht auch nicht ab.

Das Gespräch führte Klaus Ammann.

Samstagsrundschau, 6.9.2025, 11:30 Uhr ; 

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