Das ist passiert: Erstmals hat in der Schweiz eine Sterbehilfeorganisation eine verwahrte Person in den Suizid begleitet. Gemäss Zürcher Direktion der Justiz und des Innern handelte es sich um einen Verwahrten, der in der Zuger Justizvollzugsanstalt Bostadel lebte. Der assistierte Suizid wurde Ende Februar ausserhalb des Gefängnisses durchgeführt.
Inwiefern haben Verwahrte ein Recht auf Sterbehilfe? Das Selbstbestimmungsrecht beinhaltet gemäss Bundesverfassung und Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) auch das Recht jeder urteilsfähigen Person, die Art und den Zeitpunkt ihres Todes frei zu wählen.
Wenn die Person mit Exit Kontakt aufnehmen will, ist das möglich.
Strafvollzugsexperte Benjamin Brägger stellt fest, dass dieses Recht im Prinzip auch für Gefangene gilt und nicht von ihrem strafrechtlichen Status abhängig gemacht werden darf. «Wenn die Person mit Exit (Vereinigung für humanes Sterben) Kontakt aufnehmen will, ist das möglich.» Aber Brägger erwähnt, dass sich natürlich auch die Frage stellt, ob man sich durch einen assistierten Suizid seiner Strafe entzieht. Er persönlich sehe das jedoch nicht so.
Welches sind die Voraussetzungen für Sterbehilfe im Vollzug? Eine nationale Vernehmlassung hat gezeigt, dass die Kantone die Sterbehilfe im Vollzug grundsätzlich gutheissen. Aus diesem Grund hat das Schweizerische Kompetenzzentrum für den Justizvollzug zentrale Grundsätze definiert. Danach soll ein assistierter Suizid im Vollzug nur als «ultima ratio» und bei von externen medizinischen Fachpersonen bestätigten «unerträglichem physischen oder psychischen Leiden» erfolgen.
Wie gestaltet sich der Ablauf der Suizidhilfe im Vollzug? Als Erstes muss die inhaftierte Person den entsprechenden Wunsch äussern. Dann wird abgeklärt, ob die Person urteilsfähig ist und den Entscheid freiwillig getroffen hat. Schliesslich ist es eine Sterbehilfeorganisation oder ein Arzt, die das tödliche Medikament verabreichen. Für Brägger sei die schwierige Frage: «Wo findet das statt?» Entweder das Gefängnissystem gestatte den Ablauf innerhalb der Gefängnismauern oder es müssten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die den begleiteten Suizid ausserhalb ermöglichen würden.
Welche Bedenken gibt es? Der forensische Psychiater Josef Sachs sagt: «Grundsätzlich haben Menschen im Freiheitsentzug das Recht auf die gleiche medizinische Versorgung wie Menschen in Freiheit.» Dieses Recht kann sinngemäss auch auf die Sterbehilfe angewendet werden. Wer zum Beispiel an einer tödlichen Krankheit leidet, soll Zugang zur Sterbehilfe erhalten.
Es könnte der Eindruck entstehen, man könne wählen zwischen Verwahrung oder Todesstrafe.
Anders ist die Situation, wenn der Freiheitsentzug selbst der Grund für den Todeswunsch ist. Wenn jemand aufgrund des Freiheitsentzugs keinen Sinn im Leben mehr sieht und deshalb Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, gleicht das einer «freiwilligen Todesstrafe», sagt der Psychiater. «Es könnte der Eindruck entstehen, man könne zwischen Verwahrung oder Todesstrafe wählen.»
Und so könnte die Todesstrafe durch die Hintertür «wieder quasi salonfähig» werden. Zudem dürfe man nicht ausser Acht lassen, dass die Forderung nach einem assistierten Suizid im Einzelfall als Druckmittel gegen Haftbedingungen verwendet werden könnte.