Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Schweiz wegen einer Verletzung der Menschenrechtskonvention verurteilt. Sie wollte einen vom Islam zum Christentum übergetretenen Afghanen in seine Heimat zurückschaffen, nachdem sein Asylgesuch abgelehnt worden war.
Der Afghane – wegen des Persönlichkeitsschutzes wird er vom EGMR A. A. genannt – gelangte 2014 in die Schweiz und stellte hier ein Asylgesuch. Er sei in Afghanistan bedroht, argumentierte er, weil er zum Christentum konvertiert sei. Die Schweizer Behörden lehnten sein Asylgesuch als nicht stichhaltig ab.
Glaubenswechsel kein Bleibegrund
Das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen erklärte später in seinem Urteil, der Übertritt von A. A. vom Islam zum Christentum sei zwar tatsächlich erfolgt. Trotzdem sei eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar – zwar nicht unbedingt in seine Heimatregion, jedoch zum Beispiel in die Hauptstadt Kabul, wo er Verwandte habe.
Die Schweizer Richter erachteten den Glaubenswechsel von A. A. also nicht als Hinderungsgrund für eine Rückschaffung. Sie argumentierten, dass in seiner Heimat ja gar niemand davon wisse und er damit nicht gefährdet sei.
In Afghanistan droht die Todesstrafe
In einem früheren Urteil hatte der EGMR die Schweiz 2017 ersucht, die Rückschaffung aufzuschieben, bis das definitive Urteil aus Strassburg vorliege. Dieses wurde nun gefällt – gegen die Schweiz. Es erfolgte einstimmig, auch die Schweizer Richterin am EGMR, Helen Keller, votierte dafür.
Die Strassburger Richter sehen in der geplanten Ausschaffung eine Verletzung eines zentralen Artikels der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es geht dabei um Artikel drei, der die Folter sowie unmenschliche und erniedrigende Strafen verbietet.
Der EGMR wirft der Schweiz vor, die konkrete Situation und Gefährdung von A.A. nicht ausreichend geprüft zu haben. Sie habe die Tatsache ignoriert, dass Christen in Afghanistan generell verfolgt würden und ihnen, ganz besonders Konvertiten, sogar die Todesstrafe drohe.
Es droht ein Leben in ständiger Angst
Ausserdem sei es A. A. nicht zuzumuten, seinen neuen Glauben in Afghanistan bloss heimlich leben zu können. Er müsste in ständiger Angst leben, dass seine christliche Religionszugehörigkeit doch noch entdeckt würde.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Urteil des obersten Menschenrechtsgerichts in Strassburg eine Ausweisung verhindert. Betroffen waren neben der Schweiz auch andere europäische Länder.
Zwar wendet sich der EGMR nicht grundsätzlich gegen jegliche Rückschaffungen. Er stellt aber beträchtliche Anforderungen an diese und legt die Hürde für legale Ausweisungen entsprechend hoch.