Zum Inhalt springen

Fake News entlarvt Angebliche Hamas-Kundgebung in Zürich

Ein Video soll eine Hamas-Kundgebung in Zürich von diesem Wochenende zeigen. Auf sozialen Medien wird das Video über eine Million Mal aufgerufen und von rechtskonservativen Blogs geteilt. Es ist eine Falschinformation.

Hunderte Personen ziehen durch Zürich: mit Transparenten und Palästina-Flaggen. Das zeigt ein Video, das sich rasant auf verschiedenen sozialen Medien verbreitet. Geteilt wird es unter anderem von rechtskonservativen Newsportalen wie «Breitbart» und «The Daily Wire».

Bei den Demonstrierenden soll es sich gemäss Newsportalen und Blogs um Hamas-Unterstützer handeln, die den jüngsten Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel feiern. Die Szenen sollen sich dieses Wochenende in Zürich abgespielt haben. Auf der Plattform X wurde das Video auf verschiedenen Accounts geteilt und hat seit Samstag rund eine Million Aufrufe. Auch auf Tiktok wurde das Video bereits Hunderttausende Male angeschaut. Der Clip sorgt für Empörung: «Schweiz: Land des Dschihad», heisst es auf einem Account. «Europa wird immer mehr zu einer Provinz des Islams», schreibt ein anderer User.  

Tweet über eine Palästina-Demonstration in Zürich
Legende: «Muslimische Hamas-Unterstützer feiern den Angriff auf Israel», schreibt der Account @AmyMek. Dieser ist schon früher durch umstrittene Posts aufgefallen. Quelle: X (früher Twitter)

Das Video stammt jedoch nicht aus den letzten paar Tagen. SRF Investigativ zeigt, warum. 

Sonnenstand passt nicht

Das Video ist tatsächlich aus Zürich. Es zeigt einen Demonstrationszug, der an der Kirche St. Jakob am Stauffacher vorbeizieht. Die Uhrzeit auf dem Kirchturm: 14:40 Uhr. 

Das Bild zeigt die Uhrzeit: 14:40
Legende: Quelle: Video von Demonstration

Mit der Plattform Suncalc.org lässt sich der Schattenwurf zu dieser Jahreszeit berechnen. Die Berechnung zeigt: Die Personen im Video müssten Anfang Oktober um 14:40 Uhr einen deutlich längeren Schatten werfen.

Schattenwurf laut suncalc.org
Legende: Quelle: suncalc.org

Eine 1.80 Meter grosse Person hätte dann einen Schatten von knapp drei Metern. Der Schatten im Video ist jedoch nur knapp einen Meter lang – plausibel ist, dass das Video im Frühsommer aufgenommen wurde. Darauf deutet auch das grüne Laub der Bäume hin.  

Schattenwurf eines Mannes
Legende: Quelle: Video von Demonstration

SRF Investigativ hat das Video mit Aufnahmen von früheren Demonstrationen in Zürich verglichen. 

Im Video zu sehen ist unter anderem ein Transporter mit einem Transparent. Die Aufschrift: «Free Gaza». Der gleiche Transporter ist auf Videos von «20 Minuten» und «Blick» zu sehen. Die Aufnahmen stammen von einer Demonstration vom 22. Mai 2021. Das Datum passt auch zur Schattenwurf-Berechnung.

Bildvergleich: Transporter an Demonstration in Zürich

Die Stadtpolizei Zürich schreibt auf Anfrage von SRF Investigativ, dass ihr in den vergangenen Tagen keine Kundgebung von Hamas-Unterstützenden in Zürich bekannt sei. 

Wie kam das Video in die sozialen Medien? 

Anders als in Zürich kam es in den vergangenen Tagen in verschiedenen europäischen Städten zu Pro-Palästina-Kundgebungen. 

Auf X rief der Account «Visegrád 24» User dazu auf, Videos und Bilder von solchen Demonstrationen zu posten.  

Aufruf auf X, Videos von Demonstrationen zu posten.
Legende: Quelle: X (früher Twitter)

Ein User aus Zürich hat daraufhin das Video der Demonstration in die Kommentare geladen. SRF Investigativ hat den Mann kontaktiert: Er habe das Video selber aufgenommen – am 22. Mai 2021. Die Plattform habe nicht spezifisch nach Demonstrationen aus den vergangenen Tagen gefragt, sondern generell nach Pro-Palästina-Kundgebungen. 

Dennoch: Bereits kurz nach dem Hochladen des Videos übernahm die Plattform «BNN» den Clip mit der Überschrift: «Hamas-Anhänger in Zürich feiern Angriffe auf Israel inmitten des eskalierenden Konflikts». Von dort verbreitete es sich in den sozialen Medien - als angebliche Feier des Angriffs auf Israel. Ein echtes Video in falschem Kontext zu verbreiten, ist eine bekannte Methode, um Falschinformation zu verbreiten. Dies geschieht im Kontext von kriegerischen Konflikten wie diesem häufig.

Update – 18:41

Einzelne Plattformen – darunter «Breitbart» – haben das Video inzwischen gelöscht. «Breitbart» schreibt auf Anfrage von SRF Investigativ, man habe sich um Verifizierung des Videos bemüht. Die anderen Medienportale haben auf die Frage, warum sie Falschinformation veröffentlicht haben, bis zur Stunde keine Stellung genommen.

Krieg im Nahen Osten

Box aufklappen Box zuklappen

Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

SRF 4 News, 10.10.2023, 12:00 Uhr

Meistgelesene Artikel