- Als Präventionsmassnahme gegen sexuellen Missbrauch bietet die Katholische Kirche im Kanton Zürich für ihre Mitarbeitenden neu eine Sprechstunde für psychische und sexuelle Gesundheit.
- Das für die Angestellten anonyme und kostenlose Projekt ist in der Schweiz bislang einzigartig.
Er unterstütze das Projekt «überzeugt», sagte der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain vor den Medien. Zürich leiste «einmal mehr» Pionierarbeit. Das Angebot sei ein «weiterer Baustein» in der Prävention von Missbrauch im kirchlichen Kontext.
«Ich hoffe, dass auch die anderen Landeskirchen des Bistums für das Mittragen der neuen Sprechstunde gewonnen werden können», sagte der Bischof. Als nächster Schritt werde er versuchen, das Angebot auch in der Bischofskonferenz beliebt zu machen.
Dreijähriger Versuch
Auslöser für das Pilotprojekt war die 2023 erschienene Pilotstudie zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Diese zeigte, dass Priester und Ordensangehörige in der Schweiz seit 1950 über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch begangen hatten, wobei die Dunkelziffer hoch sein dürfte.
Seither würden immer wieder Forderungen nach der Prävention sexueller Übergriffe formuliert, sagte Synodalrat Andreas Kopp.
Das neue Sprechstunden-Angebot läuft seit September. Die Kosten übernimmt die Katholische Kirche des Kantons Zürich. Sie werden jährlich auf 88'000 Franken geschätzt. Projektpartnerin und Auftragnehmerin ist die Psychiatrische Uniklinik Zürich (Puk). Die Sprechstunde findet im Grossambulatorium in Zürich-Oerlikon statt.
Das Angebot ist vorerst auf drei Jahre angelegt. Im Sommer 2028 soll dem Synodalrat ein Bericht vorgelegt werden, der als Entscheidungsgrundlage zur Weiterführung, zur Anpassung oder zur Beendigung des Projekts dienen soll, führte Kopp aus.
Anonym und kostenlos
Wer sich vom Angebot angesprochen fühlt, kann sich in einem ersten Schritt per Mail oder Telefon anonym für eine Sprechstunde melden. Sie ist kostenlos. Das Angebot richtet sich an das volljährige Zürcher Kirchenpersonal. Wenn es einzelne Anfragen aus Nachbarkantonen gebe, werde man «sicher nicht kompliziert tun», heisst es.
Beim ersten Treffen verliere die Anonymität zwar etwas, sagte Fanny de Tribolet-Hardy, Leiterin der Präventionsstelle Pädosexuelle der Puk. Aber auch bei einem persönlichen Treffen müsse der Name nicht preisgegeben werden. Das Angebot solle so niederschwellig wie möglich sein.
Schweigepflicht, aber Melderecht
Die Puk arbeitet aktuell mit einem Team von vier Personen für dieses Projekt. Die Psychotherapeutinnen und -therapeuten unterliegen gegenüber der Kirche der Schweigepflicht, haben jedoch ein Melderecht. Das bedeutet, dass sie die Staatsanwaltschaft informieren dürfen, wenn sie eine Gefährdung erkennen. «Über diesen möglichen Schritt klären wir die Patientinnen und Patienten im Erstgespräch auch auf», sagte Tribolet-Hardy. Bereits hätten sich erste Personen gemeldet.