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Gegen Radikalisierung Brauchen Schweizer Imame künftig eine Bewilligung?

Imame, die in Schweizer Moscheen predigen, sollen besser kontrolliert werden. Das fordert der Ständerat. Musliminnen und Muslime kritisieren das Vorhaben.

Wie verhindern wir Terroranschläge in der Schweiz? Das fragten sich die Sicherheitspolitikerinnen und Politiker des Ständerats nach einer Messerattacke in Morges mit dschihadistischem Hintergrund und dem Attentat von Wien, dessen Spuren auch in die Schweiz führten.

«Wir haben Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland angehört», sagt Thomas Minder, Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats. Dabei habe sich gezeigt: «Gerade bei Jugendlichen, die in den Dschihadismus abdriften, waren häufig Imame beteiligt, die radikales Gedankengut verbreiteten.»

Bekenntnis zu Werten und Rechtsstaat

In einem Postulat fordert die Sicherheitspolitische Kommission deshalb, Schweizer Imame besser zu kontrollieren. Konkret soll der Bundesrat ein öffentliches Register für Imame prüfen sowie die Vor- und Nachteile eines Bewilligungsverfahrens aufzeigen. So soll etwa garantiert werden, dass Schweizer Imame sich zu den hiesigen Grundrechten bekennen und eine Landessprache sprechen.

Diese Forderung unterschreibt auch Jasmin El-Sonbati, Gründerin des Vereins für eine offene Moschee Schweiz, die sich unter anderem dafür einsetzt, dass auch Frauen in Moscheen predigen dürfen. Aber: Während Thomas Minder vor der Gefahr warnt, die von radikalen Imamen ausgeht, betont Jasmin El-Sonbati die zentrale Rolle der Imame bei der Deradikalisierung: «Imame können Kreise, die sich gerade radikalisieren oder schon radikalisiert haben, aufbrechen und ihnen helfen, in die Gesellschaft zurückzukehren.»

Warnung vor Übergriffen auf Imame

Vor diesem Hintergrund begrüsst Jasmin El-Sonbati auch eine Art Fähigkeitszeugnis für Imame und – wenn es nach ihr geht – auch Imaminnen. Auch Pascal Gemperli, Mediensprecher der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz, ist nicht grundsätzlich gegen eine Bewilligung. Er stört sich jedoch am Vorgehen. Mit dem Vorstoss würden alle Imame unter Generalverdacht gestellt: «Jeder Imam wird als potenziell gefährlich dargestellt. Das ist höchst problematisch.»

Ausserdem warnt Pascal Gemperli vor einem öffentlichen Register: «Die muslimische Gemeinschaft ist gemeinsam mit der jüdischen die am stärksten gefährdete Minderheit in der Schweiz.» Würden Namen und sogar Adressen von Imamen veröffentlicht, bestehe die Gefahr von Übergriffen.

Gemeinsames Ziel: Terror verhindern

Vielversprechender sei es, wenn die Behörden mit den Musliminnen und Muslimen zusammenarbeiteten. Wie im Kanton Waadt, wo sich Muslime um staatliche Anerkennung bemühen und ein Anerkennungsgesetz die Anforderungen an Imame klar festschreibt. Oder wie im Kanton Zürich, wo gerade in Zusammenarbeit mit dem Muslimverband ein Weiterbildungsangebot für Imame entsteht.

Musliminnen und Muslime plädieren also für mehr Zusammenarbeit – die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats für mehr Kontrolle. Verschiedene Vorgehensweisen für dasselbe Ziel: nämlich Radikalisierung in Schweizer Moscheen zu verhindern.

Rendez-vous, 25.06.2021, 12:30 Uhr

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