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Michael Hengartner im Gespräch
Aus Tagesschau am Vorabend vom 08.06.2021.
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Gründer der Taskforce Warum braucht es ein wissenschaftliches Gremium, Herr Hengartner?

Seit Beginn der Pandemie begleitet und berät die wissenschaftliche Taskforce den Bundesrat. Mit mehr oder weniger Nebengeräuschen. Nun will der Ständerat, dass für zukünftige grosse Krisen (wie Pandemien, Erdbeben, Klimawandel, Cyberangriffe oder Blackouts) ein ständiges wissenschaftliches Gremium geschaffen wird.

Der Mann, der dieses Projekt koordiniert, ist Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rates und Gründer der wissenschaftlichen Taskforce. Im Interview zeigt sich der Wissenschaftler auch selbstkritisch.

Michael Hengartner

Michael Hengartner

Präsident des ETH-Rats

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Der Biochemiker und Molekularbiologe Michael Hengartner ist seit dem 1. Februar 2020 Präsident des ETH-Rats. Zuvor war er ab 2001 an der Universität Zürich tätig, wo er an die neu eingerichtete Ernst-Hadorn-Stiftungsprofessur am Institut für Molekulare Biologie berufen wurde. Von 2009 bis 2014 war er Dekan der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät. 2014 wurde er Rektor der Universität Zürich. Ab 2016 bis zu seinem Wechsel an die ETH war Hengartner auch Präsident der Rektorenkonferenz der Schweizerischen Hochschulen swissuniversities.

Michael Hengartner wurde 1966 in St. Gallen geboren und ist schweizerisch-kanadischer Doppelbürger. Aufgewachsen ist er in Québec City und studierte dort an der Université de Laval Biochemie. Er promovierte 1994 am Massachusetts Institute of Technology im Labor von Nobelpreisträger H. Robert Horvitz.

SRF News: Heute wurde im Ständerat diskutiert, ob ein ständiges wissenschaftliches Gremium für künftige Risiken geschaffen werden soll. Was ist Ihre Meinung?

Michael Hengartner: Es ist wichtig, dass wir – wenn ein Ereignis eintritt – so schnell wie möglich die richtigen Menschen zusammenbringen können, um zu analysieren und Empfehlungen abzugeben.

Der Vorstoss ist auch eine Reaktion auf den bisherigen Verlauf der Pandemie. Sie sind der Gründer der wissenschaftlichen Taskforce. Am Anfang gab es ja ziemlich Sand im Getriebe.

Die Taskforce wurde tatsächlich zuerst für unsere eigenen Bedürfnisse gegründet – wie unterstützen wir die Studierenden, was können wir für die Universitätsspitäler machen? Wir haben aber schnell gemerkt, dass dieses Wissen auch sehr wichtig sein könnte für die Entscheidungsträger in der Politik und sind schliesslich auf die Politik zugegangen.

Sehr gut funktioniert hat die Schnelligkeit des Austausches, die Qualität des Wissens. Schwierig war am Anfang die Kommunikation. Bundeskanzler Thurnherr hat es heute Morgen sehr schön gesagt: Da sind zwei Welten aufeinandergeprallt.

Der Bundesrat hat auf die Wissenschaft gehört.

Die sich nicht immer verstanden haben.

Die einfach unterschiedlich ticken. Man musste sich zuerst kennenlernen, musste Vertrauen aufbauen. Das hat Zeit gebraucht, und in einer Krise hat man diese Zeit nicht.

Man könnte auch sagen: Warum braucht es ein wissenschaftliches Gremium, wenn der Bundesrat dann doch nicht darauf hört und macht, was er will?

Der Bundesrat hat auf die Wissenschaft gehört. Aber der Bundesrat muss auch noch weitere Elemente für die Entscheidungsfindung berücksichtigen. Die Gemütslage der Bevölkerung spielt eine wichtige Rolle, es gibt weitere politische Überlegungen. Darum muss man Verständnis haben, wenn der Bundesrat nicht immer das gemacht hat, was die Wissenschaft empfohlen hat.

Wenn wir denken, dass unsere Sicht die einzig Richtige ist, dann sollten wir in die Politik gehen und nicht in die Wissenschaft.

Sie haben in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» im letzten Sommer die eigene Zunft kritisiert: «Ich stelle diesbezüglich manchmal eine gewisse Arroganz der Wissenschaft fest. Wissenschaftliche Fakten sind wichtig, aber nicht das einzige, das zählt.»

Das wissenschaftliche Wissen ist immer begrenzt. Wir bauen zum Beispiel Modelle, wie die Pandemie sich weiter entwickeln könnte. Die Modelle sind ähnlich wie Wettermodelle, nur noch viel schwieriger. Manchmal ist auch das Wetter am Wochenende nicht so, wie man es uns versprochen hatte.

Die Modelle sind schwierig, man lernt immer dazu. Wichtig ist, dass wir nicht glauben, die Wahrheit gepfändet zu haben. Wenn wir denken, dass unsere Sicht die einzig Richtige ist, dann sollten wir in die Politik gehen und nicht in die Wissenschaft.

Sie sind zusammen mit dem ETH-Rat daran, sich Gedanken zu machen über ein ständiges Gremium. Wie könnte dieses aussehen?

Wir müssen zuerst wissen, ob es ein Wissenschafts- oder ein Entscheidungs-Gremium sein soll. Der Austausch zwischen Swissuniversities, dem ETH-Bereich, dem Nationalfonds und den Behörden muss gut funktionieren. Es wäre sinnvoll, wenn man mit den Institutionen diskutieren würde. Was braucht es, damit ein Rektor oder eine Rektorin sehr schnell auf die Experten zurückgreifen kann und sagen kann: Du musst jetzt alles stehen und liegen lassen und dich für die Schweiz einsetzen?

Wenn wir die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik in der Schweiz mit anderen Ländern vergleichen: Wie würden Sie das beurteilen?

Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit des Bundesrates. Ich glaube, dass die Wissenschaft einen hohen Stellenwert hat. Das spüren wir auch aus der Bevölkerung. Wir sollten über dieses Verständnis und diese Wertschätzung froh und dankbar sein.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

Tagesschau, 8.6.2021, 18:00 Uhr;

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