Im Kampf gegen Littering hat der Kanton Aargau eines der strengsten Gesetze der Schweiz. Seit 2019 erhalten Leute, die im öffentlichen Raum Abfall wegwerfen oder liegen lassen, einheitlich eine Busse von 300 Franken . Die Anwendung dieses 2019 neu geschaffenen Gesetzes sorgt allerdings auch über zwei Jahre später noch für Verwirrung, wie zwei aktuelle Urteile des Aargauer Obergerichtes zeigen.
Verwirrung um Zuständigkeiten bei Gemeinden
Neben Problemen in der Anwendung des Gesetzes – Littering-Sünderinnen und Sünder müssen für eine Busse nämlich in flagranti erwischt werden – ist den Behörden offenbar auch nicht ganz klar, welche Instanzen für Beschwerden zuständig sind. In zwei Fällen, die jetzt durch Urteile des Obergerichts öffentlich wurden, waren sich Gemeinde und Bezirksgericht nicht einig, wer für Beschwerden zuständig ist.
Ihren Ursprung haben die Konflikte im Herbst 2021. Damals wurden im Bezirk Aarau in zwei Fällen Personen erwischt, die einen Zigarettenstummel auf den Boden geworfen haben. In beiden Fällen verhängte der Gemeinderat eine Busse von 300 Franken und Verfahrenskosten in Höhe von 200 Franken.
Gemeinderat oder Bezirksgericht?
Gegen diese Bussen wehrten sich die betroffenen Personen. Der Gemeinderat sah sich aber nicht zuständig für die Beschwerde und leitete die Fälle ans Bezirksgericht Aarau weiter. Dieses wies die Fälle aber wieder zurück an den Gemeinderat. Wenn dieser die Busse verhänge, so müsse er gemäss Gesetz auch die Beschwerdeverhandlung führen, begründete das Gericht.
Die Gemeinde sah das aber anders und zog die Entscheide des Bezirksgerichtes vor das Aargauer Obergericht. Dieses stellt im kürzlich publizierten Urteil nun klar, dass die Gemeinderäte die Beschwerden behandeln müssen, dass sie den Fall also nicht ans Bezirksgericht weiterreichen dürfen.
Eine kleine Busse auf der grossen Runde
In der Urteilsbegründung heisst es, beim Litteringgesetz handle es sich um kantonales Recht. In solchen Fällen komme das Aargauer Gemeindegesetz zur Anwendung und nicht die nationale Strafprozessordnung, wie die Gemeinde argumentierte. Wenn ein Gemeinderat einen Strafbefehl ausspricht, so ist er laut dem kantonalen Gesetz auch für Beschwerdeverhandlungen zuständig, hält das Obergericht fest.
Die weggeworfenen Zigistummel werden nach einer Schleife via Polizei, Gemeinderat, Bezirksgericht und Obergericht also erneut ein Fall für den Gemeinderat. Dieser muss die beschuldigten Personen zur Verhandlung einladen und dann ein Urteil fällen, die Busse bestätigen oder widerrufen. Dieses Urteil könnten die Beschuldigten dann wiederum durch die juristischen Instanzen weiterziehen.
Auch wenn dazu keine exakten Zahlen vorliegen: Die Kosten all dieser Verfahren dürften die verhängten Bussen und Gerichtskosten um ein Vielfaches übersteigen. Auch auf diese Weise kann Littering demnach teuer werden, einfach nicht für die Verursachenden, sondern für den Staat.