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Hilfe für Gewerbetreibende Nationalrat will Reduktion der Geschäftsmieten um 60 Prozent

Erster Schritt zu einer Einigung im Streit um einen Erlass von Geschäftsmieten während der Coronakrise ist gemacht.

Darum geht es: In der ausserordentlichen Session Anfang Mai haben sich die Räte nicht auf eine Lösung für Mietzinserlasse für die gebeutelten Gewerbebetriebe einigen können. Zankapfel war eine vom Ständerat abgeänderte Motion der Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats, die einen Mietzinserlass von 70 Prozent forderte. Dem Nationalrat lag nun ein Kompromissvorschlag vor.

Das ist der Kompromissvorschlag

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  • Geschäftsbetreiber und -betreiberinnen sollen ihrem Vermieter für die Dauer der behördlichen Schliessung wegen des Coronavirus nur 40 Prozent der Miete schulden.
  • Dabei soll eine Mietobergrenze von 20'000 Franken gelten.
  • Die restlichen 60 Prozent soll der Vermieter tragen.
  • Auch Betriebe, die ihre Aktivitäten reduzieren mussten, sollen in begrenztem Umfang von einer Ermässigung profitieren können.
  • Bei einem Mietzins zwischen 15'000 und 20'000 Franken können Mieter wie auch Vermieter auf diese Lösung verzichten.
  • Für Vermieter soll der Bundesrat einen Härtefallfonds von 20 Millionen Franken vorsehen.
  • Bereits betroffene Vereinbarungen zwischen den Mietparteien sollen ihre Gültigkeit behalten.

Die Position des Bundesrates: Der Bundesrat ist weiterhin nicht bereit, eine Lösung für die umstrittenen Geschäftsmieten auszuarbeiten. Er lehnt die aktuelle Motion ab. Die komplexen mietrechtlichen Fragen liessen sich nicht durch vorübergehende Gesetzesanpassungen pauschal lösen. Die betroffenen Vertragsparteien sollten sich auf dem Verhandlungsweg auf Lösungen verständigen. Dies bekräftigte Wirtschaftsminister Guy Parmelin vor den Räten.

Die Argumente der Befürworter: Regula Rytz (Grüne/BE) pries als Kommissionssprecherin die vorliegende Motion: «Wir haben eine mehrheitsfähige Lösung gesucht – und wir haben eine mehrheitsfähige Lösung gefunden.» Sie warnte, dass dies die letzte Möglichkeit sei, eine Einigung zu finden. Es handele sich dabei um eine befristete Lösung in einer ausserordentlichen Lage – und für die Vermieter verkraftbar. Der Kompromissvorschlag schaffe klare und faire Verhältnisse für Fälle, in denen bisher keine einvernehmliche Lösung gefunden worden sei. Laut dem Bundesamt für Justiz sei die Motion mit der Eigentumsgarantie vereinbar.

Die Argumente der Gegner: Die Vertreter von SVP und FDP lehnten den Kompromiss ab. Olivier Feller (FDP/VD) kritisierte die pauschale Verteilung der Gelder, von der auch internationale Grosskonzerne profitieren würden – also auch Mieter, die nicht Unterstützung bräuchten. Die Lösungen müssten über Verhandlungen zwischen Mietern und Vermietern getroffen werden, so wie es auch der Bundesrat will. Auch hätten verschiedene Kantone bereits Lösungen beschlossen. Die Motion sei deshalb auch kontraproduktiv, da sie individuell ausgehandelte Lösungen in Frage stellen könne. Bis ein Gesetz vorliege, dürfte es wegen der nötigen Verfahren 2021 werden, gab er zu bedenken. Auch auf Pensionskassen habe die Motion Auswirkungen. Schliesslich kritisierte er die fehlende verfassungsmässige Basis der Lösung und die in ihr implizierten Rechtsungleichheit.

Das wurde entschieden: Der Nationalrat hat dem Kompromiss mit 98 Ja zu 84 Nein bei 12 Enthaltungen angenommen. Vom Tisch ist die ursprüngliche Motion zum Mietzinserlass. Der Nationalrat lehnte sie oppositionslos ab.

So geht es weiter: Die Mehrheit der Schwesterkommission des Ständerats hat einen identischen Vorstoss beschlossen, mit dem sich die kleine Kammer wohl am Montag befassen wird. Nehmen beide Räte die Motionen ohne Änderungen an, gilt das Anliegen als überwiesen.

Die Frage der Geschäftsmieten könnte auch die Gerichte beschäftigen. Nach Ansicht des Mieterverbands handelt es sich bei einer behördlichen Schliessung zur Pandemiebekämpfung um einen Mangel der Mietsache, für die der Vermieter aufzukommen hat. Der Hauseigentümerverband bestreitet dies. Der Immobilienverband hält fest, dass diese Frage juristisch noch nicht geklärt ist. In der Debatte warnte auch Jaqueline Badran (SP/ZH) vor einer Flut von Klagen.

SRF 4, Heute Morgen, 4.06.2020, 7 Uhr ; 

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