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Ignazio Cassis in Brüssel Die EU setzt den Bundesrat erneut unter Druck

Die EU versteht immer noch nicht, wieso der Bundesrat im Mai nach siebenjährigen Verhandlungen nichts mehr vom Rahmenabkommen wissen wollte. Und trotzdem sitzt der neue Schweiz-Zuständige, EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic, nun wieder am Tisch mit der Schweiz. 

Ein nächstes Treffen mit Aussenminister Ignazio Cassis soll bereits im Januar am World Economic Forum in Davos stattfinden. Das ist grundsätzlich ein positives Signal – man spricht wieder zusammen. Und Maros Sefcovic betonte auch, dass die Beziehungen grundsätzlich gut seien. 

Neuer Druck der EU – Uneinigkeit in Bundesbern

Sonst allerdings gibt es wenig positive Signale aus Brüssel. Die EU setzt die Schweiz erneut unter Druck. Bis im Januar soll die Schweiz nicht nur einen konkreten Fahrplan erarbeiten, wie es mit den bilateralen Beziehungen weitergehen soll. Die Schweiz soll dann auch ganz klar sagen, was sie eigentlich will.

Und genau das könnte für den Bundesrat zum Problem werden. Denn in Bundesbern ist man sich so uneinig wie schon lange nicht mehr. Während die Grünen mittels Initiative die Stimmbevölkerung befragen wollen, wie die Schweiz ihre Beziehung zur EU weiterentwickeln soll, will die SP längerfristig den EU-Beitritt.  

Die EU will ein einziges Abkommen

Den bürgerlichen Parteien geht das aber alles viel zu weit. Der neue FDP-Präsident Thierry Burkart will die grössten Probleme einzeln lösen, mit so genannt sektoriellen Abkommen. Ein Weg, der auch dem Bundesrat sympathisch sein dürfte.

Das Problem dabei: Es ist mehr als fraglich, ob die EU da mitmacht. Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic sagte heute klar, die EU wolle keine sektoriellen Abkommen – sondern eines, das alle Punkte regelt.

Bundesrat Ignazio Cassis erklärte vor seiner Abreise nach Brüssel, er wolle keine voreiligen Entscheide. Man müsse zuerst einmal herausfinden, was man wirklich wolle. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der Bundesrat beim Tempo, das die EU nun vorgibt, mithalten kann. Bis im Januar wird der Bundesrat der EU kaum ganz konkret mitteilen können, wie es weitergehen soll.

Kohäsionszahlung brachte wenig Entspannung

Enttäuschend aus Schweizer Sicht war auch die Reaktion von Maros Sefcovic auf die Freigabe der Kohäsionsmilliarde durch das Schweizer Parlament. Wer gehofft hatte, dass die Schweiz nach diesem «Zeichen des guten Willens» wieder vollen Zugang zum EU-Forschungsprogramm Horizon erhalte, sah sich getäuscht.

Die Kohäsionsmilliarde regle nur die Vergangenheit, meinte Sefcovic. Damit machte er klar: Die EU erwartet mehr und regelmässigere Zahlungen und sieht diese als Eintrittspreis in den EU-Binnenmarkt. Genau das will die Schweiz aber nicht.  

Nach dem heutigen Treffen scheint klar, dass die Schweiz wohl noch länger auf den vollen Zutritt zum EU-Forschungsprogramm warten muss. Die EU macht es von den Fortschritten bei den anstehenden Verhandlungen abhängig.

Das nächste Treffen im Januar könnte entscheidend werden. Wenn die Schweiz bis dann der EU keine klare Ansage machen kann, dürfte die Eiszeit zwischen Bern und Brüssel noch länger anhalten.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

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Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

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SRF 4 News, 15.11.2021, 16 Uhr

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