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Impfstoff-Knappheit Genügt auch die halbe Impfdosis?

Vor drei Monaten wurde die erste Person in der Schweiz gegen Corona geimpft. Seither geht es harzig voran, es fehlt an Impfstoff. In der Wissenschaft wird nun über effizientere Ansätze diskutiert, einer davon wäre nur noch die Hälfte an Impfstoff pro Patientin und Patienten zu verabreichen.

Die Lage ist viel besser, als man es sich noch vor wenigen Monaten hätte träumen lassen. Noch im Herbst hiess es in den USA, man würde einen Impfstoff schon zulassen, wenn er nur zu 50 Prozent schützen würde. Die Ansprüche waren tief, sagt Christian Burri, Experte für Infektionskrankheiten am Schweizerischen Tropen und Public Health Institut in Basel. «Damals ging es darum, wie man möglichst schnell etwas produzieren oder entwickeln kann, das wirkt.» Jetzt ist die Lage anders: «Wir wissen schon sehr viel mehr. Wir wissen mehr über das Virus. Wir wissen mehr, wie die Leute reagieren.»

Ein Jahr lang haben wir gelitten. Ein Jahr lang nach Lösungen gesucht und welche gefunden: «Deshalb geht es jetzt darum, diese Tools der Interventionen, die wir entwickelt haben, zu optimieren. Das wird jetzt das Ziel sein», so Burri.

Zahl möglicher Impfungen verdoppeln

Ein Optimierungsvorschlag wäre, statt mit einer vollen Dosis nur mit einer halben Dosis zu impfen. Diese Idee gilt für beide Impfstoffe, die in der Schweiz bisher zugelassen sind, den von Pfizer/Biontech und den von Moderna.

Es geht jetzt darum, die entwickelten Tools der Interventionen zu optimieren.
Autor: Christian Burri Experte für Infektionskrankheiten

Auf einen Schlag hätte man so die Zahl möglicher Impfungen verdoppelt. Der Moderna-Chef hat die Idee in den USA schon im Januar öffentlich ins Spiel gebracht. In der Schweiz vertritt der Lausanner Mediziner und Professor für Infektiologie, Bernard Hirschel, die Ansicht, dass die Dosis-Halbierung das Gebot der Stunde sei.

Die Frage, die sich stelle, sei: «Wie kann man die vorhandenen Impfdosen am besten einsetzen? Damit man immer möglichst viele Leute schützt.» Der einzige Ausweg aus der Impfstoffknappheit ist für Hirschel, die Publikationen über diese Impfstoffe zu studieren. Diese zeigten, dass bereits eine geringere Menge an Impfstoff wirksam sei.

Es ist ein Fehler, wenn man sich zu rasch mit der offiziell empfohlenen Dosis zufriedengibt.
Autor: Bernard Hirschel Professor für Infektiologie

Hirschel bezieht sich auf Studiendaten zur Immunogenität. Bei solchen Studien wird an einer relativ kleinen Probanden-Zahl untersucht, wie stark die Immunantwort bei welcher Impfstoff Dosis ausfällt. Man sehe klar, sagt Hirschel, schon die halbe Dosis habe bei den Probanden eine starke Immunantwort ausgelöst. Eine, von der man heute wisse, dass sie ausreichend schützt.

Schutzwirkung nur bei voller Dosis bewiesen

Der Knackpunkt dabei: Die grossen Studien mit Zehntausenden von Probanden, die die tatsächliche Schutzwirkung untersucht und bewiesen haben, wurden nur mit der vollen Dosis gemacht. Das heisst, die Schutzwirkung ist streng genommen nur für die volle Dosis bewiesen. Dieses Vorgehen habe gute Gründe, sagt Christian Burri. «Man ist mit einer sicheren Dosis ins Spiel gegangen.»

Aber, sagt Bernard Hirschel: «Es ist ein Fehler, wenn man sich zu rasch mit der offiziell empfohlenen Dosis zufriedengibt.» Für ihn genügt das Wissen aus den kleineren Dosis-Findungsstudien, dass auch die halbe Dosis eine starke Immunantwort auslöst, um zu sagen, man impft ab sofort nur noch mit der halben Dosis.

Auch für Christian Burri vom Swiss Tropical and Public Health Institut in Basel sehr interessant: «Das sollte unbedingt weiterverfolgt werden.» Aber keine Schnellschüsse, denn das könnte das Vertrauen in die Behörden erschüttern. Nur mit wirklich guten Daten könne man einen solchen Schritt wagen. Diese Daten zu beschaffen, solle man aber mit Hochdruck angehen.

Echo der Zeit, 21.3.2021, 18 Uhr

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