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Impfung gegen Affenpocken Was wir vom Affenpockenvirus lernen können

Ein halbes Jahr ist seit dem ersten Auftauchen des Affenpockenvirus in der Schweiz vergangen – mittlerweile haben sich über 500 Menschen angesteckt. Diese Woche sind 4000 Dosen des Impfstoffs in der Schweiz angekommen und werden ab nächster Woche verimpft – später als in den EU-Ländern. Zurzeit habe sich die Situation in der Schweiz zwar beruhigt, trotzdem sei die Impfung nun wichtig, ist Infektiologe Jan Fehr von der Universität Zürich überzeugt.

Jan Fehr

Infektiologe und Chefarzt Zentrum für Reisemedizin der Uni Zürich

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Jan Fehr, Infektiologe und Chefarzt des Zentrums für Reisemedizin von der Universität Zürich. Zudem ist er Leiter im Departement Public & Global Health. Das Departement umfasst die Abteilungen übertragbare Krankheiten, Gesundheitsforschung und betriebliches Gesundheitsmanagement sowie Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich.

Diese Woche wurde der Impfstoff in die Schweiz geliefert. In der EU und in den USA sind die Impfungen bereits im Sommer angelaufen. Was konkret bedeutet die Verzögerung für die Gefährdeten?

Ja, das ist eine Herausforderung für die Leute, die eine solche Impfung nötig haben, auch im Hinblick auf den Unterbruch der Transmissionskette. Mittlerweile ist es so, dass sich bereits eine grosse Anzahl im Ausland impfen liess, also diejenigen, die die Chance hatten und damit auch bereits einen Beitrag geleistet haben.

Für weite Teile der Gesamtbevölkerung geht das BAG aktuell von einem geringen Risiko aus. Wen konkret schützt also die Impfung?

Gedacht ist die Impfung vor allem für Leute, die ein hohes Risiko haben. Das sind vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, insbesondere mit wechselnden Partnern. Dieser Zielgruppe möchten wir sehr gerne etwas anbieten können.

Welche Szenarien sind zur weiteren Entwicklung der Affenpockenviren in der Schweiz realistisch?

Es kann sein, dass die aktuelle Situation mit der beruhigenden Phase weitergeht. Es mag aber auch sein, dass plötzlich wieder ein Anstieg der Fälle zu verzeichnen ist. Das wäre, wenn wir jetzt an Covid denken, auch nicht ganz wegzudenken. Ich möchte die Krankheiten nicht vergleichen und dennoch sind es Infektionskrankheiten. Infektionskrankheiten werden übertragen. Das muss man im Hinterkopf behalten.

Wir haben kürzlich gelernt, dass Wuhan viel näher ist, als wir je gedacht haben.

Das dritte Szenario ist wie so oft irgendwo dazwischen. Ich glaube, es ist wichtig, jetzt auch zu realisieren, dass es jetzt in dieser ruhigen Phase ein Momentum ist, wo wir wirklich einsteigen sollten und die Impfung anbieten, um auch eine nächste Welle allenfalls verhindern zu können.

Sie sprechen von einem Momentum. Zusammenfassend gefragt: Was lässt sich aus dem Umgang mit Affenpocken in Bezug auf mögliche weitere Infektionskrankheiten lernen?

Das ist eine sehr spannende Frage. Wenn wir etwas daraus lernen können, dann das, dass wir lernen sollten. Etwas plakativ ausgedrückt: Wir hätten gerade die Chance gehabt, wieder einiges zu lernen und haben es doch nicht ganz gemacht. Die Schweiz war positiv gezeichnet, nicht an vorderster Front. Umgekehrt könnte man sagen, wir waren Schlusslicht, was die Impfung angeht. Da darf man feststellen, wir sind wirklich noch nicht ganz bereit, auf die Ereignisse zu reagieren, und zwar in der Zeiteinheit, in welcher man wirklich rasch reagieren sollte.

Das sollten wir mitnehmen. Wir sollten uns anschauen, wie kommen wir zu rascheren Antworten und auch zu raschen Handlungen. Ein weiterer Aspekt ist der globale Zusammenhang. Es ist nicht so, dass die Affenpocken gar nicht bekannt gewesen wären. Und deshalb ist es wichtig, dass wir realisieren, wir tun gut daran, den Blick nach aussen zu behalten, also über die Landesgrenzen bis hin in den globalen Süden – zum Beispiel Richtung Afrika. Wir müssen die Dinge ernst nehmen, die auch weiter weg passieren. Denn wir haben kürzlich gelernt, dass Wuhan viel näher ist, als wir je gedacht haben.

Das Gespräch führte Oliver Kerrison.

SRF 4 News, 9:00 Uhr, 11.11.2022 ; 

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