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Wie man ein AKW verschwinden lässt
Aus SRF News vom 20.12.2019.
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Mühleberg ist vom Netz Die spannendsten Fragen – von Experten beantwortet

Warum wird das AKW abgeschaltet? Es sind die Berner Kraftwerke selbst gewesen, welche die Abschaltung beschlossen haben. Nach Auskunft der BKW aus wirtschaftlichen Gründen. Hätte die Gesellschaft das Kraftwerk gegen die wachsende Skepsis der Gesellschaft in Betrieb halten wollen, wäre die Nachrüstung für den Langzeitbetrieb nicht mehr rentabel gewesen.

Viele Exponenten sehen die grosse Gefahr einer kommenden Strommangellage. Wieso geschieht nichts? Wir sind dran, antwortet Christian Schaffner, CEO Energy Science Center ETH Zürich. Ihre Studien würden zeigen, dass wir in Bezug auf Energiemenge in den nächsten Jahren eine gute Ausgangslage haben. Dies insbesondere, da die Schweiz in Europa netztechnisch sehr gut eingebunden ist. Ab ungefähr 2030 könnten laut Schaffner aber europaweit Aufgaben anstehen, insbesondere wenn die Elektrifizierung im Gebäude- und Mobilitätsbereich voranschreitet. Wichtig zu sehen: Versorgungssicherheit sei ein europäisches Thema. Wenn es europaweit zu wenig Strom gibt, sagt Schaffner, hätten wir auch ein Problem. «Falls es in der Schweiz zu wenig hat, dann gibt es wohl auch ein gesamteuropäisches Problem.»

Was passiert mit dem AKW Mühleberg? Das stillgelegte Kraftwerk wird schrittweise zurückgebaut. Bis 2034 sollte das Gelände vollständig dekontaminiert für eine neue Nutzung zur Verfügung stehen.

Wieso nutzt man die Bausubstanz nicht anderweitig? Das Reaktorgebäude und das Maschinenhaus des Kernkraftwerks Mühleberg gehören zur kontrollierten Zone, sagt Ulrich Bielert von der BKW. In diesem Bereich muss mit einer radioaktiven Kontamination von Komponenten und Oberflächen gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund lohne sich eine Weiternutzung der bestehenden Anlagen in einer konventionellen Technologie nicht, sagt der Leiter Stab Kernkraftwerk Mühleberg.

Was kostet das alles? Der Energiekonzern BKW rechnet nach eigenen Angaben mit Gesamtkosten von ca. 3 Milliarden Franken für Stilllegung und Entsorgung, räumt aber ein, dass dies aufgrund der fehlenden Erfahrungen eine Schätzung sei. Bezahlen muss die BKW in zwei Fonds, die der Bund kontrolliert. Sie habe bereits 1 Milliarde in den Fond einbezahlt, teilte die BKW mit. Für alle AKW der Schweiz rechnet der Bund laut einer letzten Studie aus dem Jahr 2016 mit 24.6 Milliarden Franken für Stilllegung und Entsorgung.

Ist dafür genügend Geld vorhanden, oder muss der Steuerzahler in den Sack greifen? Die Kostenstudie 2016 von Stenfo (Stilllegungs- und Entsorgungsfonds) sei aktuell die Basis für die Schätzung aller Kosten in diesem Bereich, erklärt Ralf Straub vom BFE. Mit vorgesehenen 24 Milliarden Franken werden beide Fonds relativ gut gefüllt sein. Im internationalen Vergleich wird die Schweiz als ein Vorbild für die Berechnung der Kosten wahrgenommen.

Was sind die grössten technischen Aufgaben beim Rückbau? «Mit vielen Arbeiten, die während des Rückbaus durchzuführen sind, haben wir schon während des Betriebs Erfahrungen sammeln können», sagt BKW-Stabsleiter Ulrich Bielert. Eine technische Herausforderung sei sicherlich die Zerlegung und Verpackung der aktivierten Einbauten aus dem Reaktordruckbehälter und die Zerlegung des Reaktordruckbehälters selbst.

Was ist mit den anderen Kraftwerken? Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 haben Bundesrat und Parlament den schrittweisen Ausstieg der Schweiz aus der Kernenergie beschlossen. Dafür hat man sich ambitionierte Ausbauvorgaben für erneuerbare Energien gesteckt. In 10 Jahren soll den Kraftwerken Beznau 1 und 2 der Stecker gezogen werden. Das AKW Gösgen soll nach der heutigen Planung etwa im Jahr 2040 abgeschaltet werden. Einige Jahre danach, etwa 2045, soll dann auch noch das jüngste Atomkraftwerk Leibstadt vom Netz gehen.

Könnte die Schweiz ihren Atommüll auch ins Ausland verkaufen? Das Kernenergiegesetz verlangt, dass die Schweizer Abfälle in der Schweiz in geologischen Tiefenlagern entsorgt werden. Deshalb sei das Ausland keine Option, sagt Patrick Studer von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra).

Wann kommt das Tiefenlager für diese Abfälle? An der Lösung wird intensiv gearbeitet, erklärt Patrick Studer von der Nagra. Seit 2008 läuft der «Sachplan geologische Tiefenlager», die Führung liegt beim Bund. In rund drei Jahren schlägt die Nagra den Standort vor und reicht ungefähr zwei Jahre später das Rahmenbewilligungsgesuch ein. Über das Gesuch entscheiden Bundesrat und Parlament, der Entscheid unterliegt dem fakultativen Referendum. Die Eröffnung der Tiefenlager ist für das Jahr 2050 (schwach- und mittelaktive Abfälle) und 2060 (hochaktive Abfälle) geplant.

Wie wahrscheinlich ist es, dass wir in ein paar Jahren bedauern, den sauberen Atomstrom ausgeschaltet zu haben? Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie BFE, verweist auf die Tatsache, dass alle Energieumwandlungen ihre Chancen und Risiken haben und auch ihre Zeit. 2017 hat die Schweizer Bevölkerung mit 58 Prozent Ja-Stimmen beschlossen, keine neuen Kernkraftwerke mehr zu bauen. Mit erneuerbaren Energien und vor allem mehr Energieeffizienz sei man jedoch sicher auf dem nachhaltigsten Pfad.

Um wieviel muss die Stromproduktion in der Schweiz erhöht werden, wenn in Zukunft alle fossilen Energieträger mit Strom kompensiert werden müssen? Gemäss Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr beim BFE, werden für die Elektromobilität je nach Annahmen etwa 11-14 Terra-Watt-Stunden (TWh) zusätzlich für Personenwagen benötigt (1 TW = 1 Mrd KW). Weitere 6 TWh für eine Elektrifizierung der Liefer- und Lastwagen, wobei hier auch andere Technologien zum Einsatz kommen können, beispielsweise Wasserstoff. Der Ersatz fossiler Heizungen durch Wärmepumpen benötigt etwa 15 TWh. Eine gute Übersicht bietet die Präsentation von Professor Patt von der ETH Zürich: https://ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/mavt/energy-science-center-dam/events/Energy%20Day%202019/04_Patt.pdf

Es wird an neuen, sicheren Reaktoren geforscht. Ist die Schweiz da auch dabei? Die Schweiz sei durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI vertreten, sagt Ralf Straub, Fachspezialist Internationale Kernenergie bei BFE. Das SBFI verfolge die Neuentwicklung von sogenannten Generation-IV Reaktoren sehr genau. Dabei werden sechs neue Reaktortypen erforscht. Durch die Beteiligung am sogenannten GenIV Forum bleibt die Schweiz nach Ansicht Straubs urteilsfähig.

Den Experten-Chat moderierte Franco Bassani.

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