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Nach Eklat in Windisch Gemeindeverband kritisiert Asyl-Strategie des Bundes

Der Fall Windisch zeigt exemplarisch: Die Kantone suchen verzweifelt nach Unterbringungsplätzen für Geflüchtete.

Die Lage bei der Unterbringung von Geflüchteten im Aargau scheint akut. Bisheriger Höhepunkt: 49 Mieterinnen und Mietern in Windisch wurden die Wohnungen gekündigt. Der Vermieter plane dort einen Neubau. Als Zwischennutzung will der Kanton die Überbauung zu einer Unterkunft für Flüchtlinge umfunktionieren. Das sorgte für Aufruhr in den vergangenen Tagen.

Der Kanton schwieg – bis jetzt: In einem Schreiben nimmt der Kanton erstmals Stellung zum Eklat. Der Aargauer Sozialvorsteher Jean-Pierre Gallati bedauere die Entwicklungen. «Bei der Eignungsprüfung der Liegenschaft hat der kantonale Sozialdienst des Departements für Gesundheit und Soziales aufgrund von falschen Annahmen den Auswirkungen der Kündigungen der Mieterinnen und Mieter keine Beachtung geschenkt», so der Regierungsrat.

Das Departement werde zusammen mit dem Gemeinderat Windisch und der Liegenschaftseigentümerin nach Lösungen suchen, die den Interessen der betroffenen Mieter entsprechen. «Das Ziel ist der Verbleib der Mieterinnen und Mieter in ihren Wohnungen, bis sie eine geeignete Ersatzlösung haben.»

Auf Bundesebene müssen Ressourcen freigemacht werden.
Autor: Jörg Kündig Vizepräsident beim Schweizerischen Gemeindeverband

Dass die aktuelle Situation nicht nur für den Kanton Aargau angespannt ist, sagt auch Jörg Kündig, Vizepräsident beim Schweizerischen Gemeindeverband. «Windisch ist exemplarisch für die angespannte Situation. Die Nerven sind angespannt, der Wohnraum knapp. Wir suchen händeringend nach Möglichkeiten, diese Menschen so unterzubringen, dass es der Situation angemessen ist.»

Pikant: Der Bund verfügt über 4000 freie Plätze, und auch andere Kantone haben noch Kapazitäten. Mehr als 7000 freie Plätze stünden also schweizweit zur Verfügung. Der Bund gibt diese Plätze aber nicht frei. Für Kündig ist klar: «Auf Bundesebene müssen Ressourcen freigemacht werden, einerseits Wohnraum, aber auch, was die Betreuung betrifft. Der Bund könnte sich mehr für Gemeinden einsetzen.»

Eiserne Reserven für schwierigere Situationen

Beim Bund sieht man die Bemühungen durchaus. Man merke, dass die Situation angespannt sei: «Viele Kantone bitten um eine Aufschiebung der Zuweisungen, weil sie an ihren Grenzen stossen», sagt Samuel Wyss, Staatssekretariat für Migration SEM. Man sei laufend daran, weitere Unterkünfte zu finden.

Wir wissen nicht, wie sich die Asylzahlen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln. Wir können diese Plätze nicht einfach so freigeben.
Autor: Samuel Wyss Sprecher des Staatssekretariats für Migration SEM

Die Kritik des Gemeindeverbandes, man benötige diese Reserveplätze zur Bewältigung der aktuellen Situation, lässt der Bund aber nicht gelten. «Diese 4000 Plätze brauchen wir als strategische Reserve. Wir wissen nicht, wie sich die Asylzahlen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln. Wir können diese Plätze nicht einfach so freigeben», so Wyss. Das ist für Kündig vom Gemeindeverband unverständlich: «Wenn der Bund mit Puffer arbeitet, wenn Gemeinden am Anschlag sind, stellt sich schon die Frage, was der Puffer soll.»

Es mangelt an Alternativen

Dass der Kanton Aargau nun die sanierungsbedürftige Überbauung in Windisch für Geflüchtete zwischennutzen will, ist denn auch wenig erstaunlich. Es mangle an Alternativen, sagt Kündig. «Die erste Möglichkeit wären Container. Aber diese sind sehr gesucht und schwer erhältlich. Kommt hinzu, dass sie zum Teil komplizierte Bewilligungsverfahren mit sich ziehen.»

Eine weitere Möglichkeit seien Zivilschutzanlagen, die jedoch unbeliebt seien. Und als dritte Möglichkeit führt Kündig eben jene Massnahme an, wie sie in Windisch aktuell hohe Wellen schlägt: die Zwischennutzung leerstehender oder baufälliger Liegenschaften.

Tagesschau, 01.03.2023, 19:30 Uhr

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