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Rahmenabkommen, wie weiter? «Eine Frau hat vielleicht ein anderes Gespür für Minderheiten»

Schweizer Aussenpolitiker machen sich kaum lllusionen über die neue EU-Garde. Ein atmosphärischer Neustart liege aber drin.

Die Beziehung der Schweiz zur EU ist kompliziert und der Streit mit der wichtigsten Handelspartnerin um ein Rahmenabkommen lastet schwer. Wenn jetzt die Deutsche Ursula von der Leyen in Brüssel als erste Frau das Zepter als Kommissionspräsidentin übernimmt, wird es nicht einfacher. Und doch ist bei Schweizer Aussenpolitikern etwas Hoffnung zu hören.

«Als Deutsche der Schweiz nahe»

«Eine Frau geht solche Themen oft ganz anders an und hat vielleicht ein anderes Gespür für Minderheiten. Wir sind eine Minderheit gegenüber der grossen EU», sagt etwa SVP-Nationalrat und Aussenpolitiker Andreas Aebi. Über die Wahl ist er auch sonst erleichtert. Von der Leyen stehe der Schweiz als Deutsche nahe, sie sei ihm deshalb lieber als der Niederländer Frans Timmermans.

Mit ist von der Leyen lieber als der Niederländer Timmermans.
Autor: Andreas Aebi Nationalrat SVP/BE, Mitglied der APK

Tatsächlich hat sich Deutschland im Streit ums Rahmenabkommen wiederholt für die Schweiz eingesetzt – zuletzt gegen die Strafaktion gegen die Schweizer Börse.

Dass die Herkunft der neuen Kommissionspräsidenten aber Einfluss auf die Politik gegenüber der Schweiz hat, bezweifelt Elisabeth Schneider-Schneiter. Die Baselbieter CVP-Politikerin und Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats hält fest: «Frau von der Leyen muss die ganze EU vertreten und kann nicht ihre nationalen Ansichten in den Vordergrund stellen.»

Nicht von vornherein an den Pranger

Positiv sei die Wahl aber dennoch, sagt Schneider-Schneiter. «Es könnte sein, dass Frau von der Leyen nicht zum vornherein die Schweiz an den Pranger stellen will, sondern sich zuerst eine Übersicht schaffen will. Das könnte die Chance für einen Zeitgewinn sein.» Ein Zeitgewinn für neue Gespräche mit der EU und über mögliche Ergänzungen zum Rahmenabkommen, aber auch, um weitere Strafmassnahmen der EU abzuwenden.

Es könnte die Chance für einen Zeitgewinn sein.
Autor: Elisabeth Schneider-Schneiter Nationalrätin CVP/BL, APK-Präsidentin

Für Erleichterung sorgt unter den Aussenpolitikern auch der Abgang von Martin Selmayr, dem Generalsekretär der EU-Kommission. Selmayr sei zwar Deutscher, aber ein «harter Brocken» gegenüber der Schweiz gewesen, betont Aebi. Auch APK-Präsidentin Schneider-Schneiter geht davon aus, dass es nach Selmayr fast nur besser kommen könne. Es bestehe die Chance für einen Neubeginn in der Zusammenarbeit mit der Schweiz.

Unbefangene kommen jetzt ans Dossier. Inhaltlich wird sich aber nichts ändern.
Autor: Martin Näf Nationalrat SP/ZH, APK-Vizepräsident

Die neuen Köpfe kämen zum richtigen Zeitpunkt, sagt auch der Zürcher SP-Nationalrat Martin Näf . Der Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-EU im Bundeshaus sieht eine Chance darin, dass sich jetzt unbefangene Leute mit dem Dossier neu beschäftigen. Und nicht solche, die nach sechs Jahren Verhandlungen genervt seien. Inhaltlich werde sich aber nichts ändern.

Die EU hat aus ihrer Sicht «fertig verhandelt» beim Rahmenabkommen und seinen Knackpunkten wie dem Lohnschutz. Einen politischen Neuanfang dürfte es also nicht geben, im besten Fall aber einen atmosphärischen Neustart.

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