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Schweizer Gasbranche Sommaruga: «Wir wollen die Gasversorgung im Winter sicherstellen»

Die Schweiz will die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren. Die Schweizer Gasbranche soll daher möglichst rasch anderswo Gas oder auch Gasspeicher-Kapazitäten beschaffen können. Das hat der Bundesrat eine Woche nach dem russischen Angriff auf die Ukraine beschlossen. Energieministerin Sommaruga reiste nach Den Haag, um die Gaslieferungen mit ihrem niederländischen Amtskollegen zu besprechen. 

Simonetta Sommaruga

Alt Bundesrätin

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Simonetta Sommaruga wurde 1960 geboren. In Luzern liess sie sich zur Pianistin ausbilden. Ihre Konzerttätigkeit und pädagogische Arbeit führte Sommaruga am Konservatorium in Freiburg weiter. Ab 1993 war sie Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, von 2000 bis 2010 deren Präsidentin. Sommaruga war zwischen 1997 und 2005 Gemeinderätin in Köniz und von 1999 bis 2003 Nationalrätin. Von 2003 bis 2010 vertrat die SP-Politikerin den Kanton Bern im Ständerat. Sie war von November 2010 bis Ende Dezember 2022 Bundesrätin. Bis 2018 leitete Sommaruga das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Anschliessend war sie Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Bild: Keystone/Urs Flüeler

SRF News: Welche Rolle können die Niederlande bei Gaslieferungen in die Schweiz spielen?

Simonetta Sommaruga: Holland und die Schweiz wollen die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren. Die Niederlande planen jetzt, ihre Kapazitäten für Flüssiggas im Hafen von Rotterdam rasch auszubauen. Im Gespräch mit dem holländischen Energieminister hat er mir Bereitschaft für eine Zusammenarbeit mit der Schweiz signalisiert.

Die EU-Staaten spannen beim Einkauf von Gas zusammen. Kann die Schweiz auf Unterstützung von der EU zählen?

Auch in der Schweiz ist die Gasbranche zuständig für die Beschaffung des Gases. Selbstverständlich ist es immer gut, wenn man miteinander spricht. Deshalb ist auf dieser Reise nach Holland auch die Gasbranche vertreten. Wir können die Voraussetzung schaffen, damit die Gasbranche sich jetzt auch zusammenschliessen kann. Das hat der Bundesrat gemacht, indem er gesagt hat, sie können jetzt auch zusammenspannen für die Beschaffung des Gases für nächsten Winter.

Wir wollen kurzfristig sicherstellen, dass die Versorgung mit Gas im nächsten Winter funktioniert.

Das ist wichtig, denn wir wollen kurzfristig sicherstellen, dass die Versorgung mit Gas im nächsten Winter funktioniert. Gleichzeitig, und das ist genauso wichtig, wollen wir wegkommen vom Gas und Öl und deshalb die erneuerbaren Energien ausbauen. Das bleibt natürlich ganz weit oben auf der Agenda.

Finanzminister Ueli Maurer traf zeitgleich mit Ihrem Besuch in den Niederlanden den katarischen Energieminister. Auch bei diesen Gesprächen ging es um Gaslieferungen. Ist es sinnvoll, wenn man die Abhängigkeit von Russland reduziert, indem man sich teilweise von einem anderen Staat abhängig macht, bei dem es in Sachen Demokratie und Menschenrechte nicht zum Besten steht?

Ich denke, in Bezug auf die Abhängigkeit ist es immer besser, wenn man sich breiter abstützt. Wenn man vor allem auch im Hinblick auf den nächsten Winter über eine Beschaffung von Flüssigerdgas, LNG, spricht, dann denkt man ja zum Beispiel auch an die USA. Eine breitere Abstützung gibt uns mehr Sicherheit. Aber ganz wichtig ist und bleibt natürlich, dass wir die erneuerbaren Energien ausbauen. Dann können wir diese Abhängigkeiten ganz grundsätzlich reduzieren. Jetzt müssen wir auf diesem Weg noch einen Zacken zulegen.

Sommaruga spricht am Hafen von Rotterdam.
Legende: Der Ausbau von erneuerbarer Energie bleibe wichtig, sagt Energieministerin Sommaruga. Keystone/Peter Dejong

Ist es sinnvoll, die Abhängigkeit von Russland jetzt mit Katar zu ersetzen?

Die Branche wird entscheiden, wo sie das Gas beschafft. Die Gasbranche hat sicher auch ein Interesse, sich in Zukunft breiter abzustützen. Die EU hat entschieden, dass sie den Bezug von russischem Gas für den nächsten Winter massiv reduzieren wird. Das hat auch Auswirkungen auf die Beschaffung in der Schweiz.

Die Gasbranche hat sicher auch ein Interesse, sich in Zukunft breiter abzustützen.

Aber grundsätzlich macht es am meisten Sinn, wenn wir diese acht Milliarden Franken, die wir jedes Jahr ins Ausland schicken, um Öl und Gas einzukaufen, verstärkt in der Schweiz und in die einheimischen erneuerbaren Energien investieren. Das hilft für die Unabhängigkeit und natürlich auch fürs Klima.

Der Bundesrat will eine klimaneutrale Schweiz bis 2050. Gleichzeitig reisen zwei seiner Mitglieder an verschiedene Orte auf der Welt, um dort über kurzfristige Gaslieferungen zu sprechen. Muss man sich Sorgen um die Energieversorgungssicherheit in der Schweiz machen?

Nein. Kurzfristig, denke ich, haben wir gute Möglichkeiten, diese Versorgungssicherheit auch sicherzustellen. Dass wir aber beim Öl, Gas und Uran zu 100 Prozent vom Ausland abhängig sind, ist keine Neuigkeit. Aber der Krieg in der Ukraine zeigt uns vielleicht schmerzlich, dass diese Abhängigkeit ein Problem werden kann. Und deshalb unsere noch viel stärkeren Bemühungen, in der Schweiz in die erneuerbaren Energien und auch in die Energieeffizienz zu investieren, also weniger Energie zu verschwenden. In diese Richtung arbeiten wir und haben die Arbeiten bereits aufgegleist.

Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.

EU-Gesetz für mehr Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen

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Eine Taskforce soll für alle EU-Länder überall auf dem Weltmarkt, ausser in Russland, Gas einkaufen – in erster Linie Flüssiggas aus den USA oder den Golfstaaten. Das soll helfen, die Gasspeicher bis Ende Jahr zu füllen. Per Gesetz sollen die EU-Staaten verpflichtet werden, ihre Gasspeicher bis im November zu 80 Prozent zu füllen. Im kommenden Jahr sind sogar 90 Prozent vorgesehen. Das schaffe die nötige Versorgungssicherheit im kommenden Winter, so der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis.

Russland ist der grosse Unsicherheitsfaktor. Eskaliert der Krieg in der Ukraine weiter, steigt der Druck auf alle EU-Staaten, Gaslieferungen aus Russland ganz zu boykottieren. Russland seinerseits könnte Lieferungen stoppen, um Europa unter Druck zu setzen. 20 von 27 EU-Staaten verfügen über grosse Speicherkapazitäten. Sie liegen knapp dreimal höher als der jährliche Verbrauch in Europa. Allerdings sind sie fast ausschliesslich in privater Hand, teilweise gehören sie sogar russischen Firmen. Das könnte ein Problem werden.

Darum greift das neue Gesetz zu einem Trick: Alle Anlagen müssen neu zertifiziert werden. Weigert sich ein Unternehmen, das zu tun, könnten einzelne Länder Firmen enteignen und entschädigen. Gasspeicher gelten als kritische staatliche Infrastruktur. Noch nicht verständigen konnten sich die EU-Staaten auf maximale Preisvorgaben für Endkunden. (Charles Liebherr)

Echo der Zeit, 23.03.2022, 18:00 Uhr ; 

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