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Steinschlag am Julier Wie sicher sind die Bündner Strassen?

Graubünden investiert jährlich mehrere Millionen Franken in Felssicherungen. Der Kanton setzt ein Risikomanagement um.

Die engen und geschwungenen Strassen durch die Täler sind wichtige Wege für Einheimische und Touristen in Berggebieten. Kleinere Steinschläge sind an der Tagesordnung. Dagegen werden Schutznetze montiert. Der Fels wird gesichert. Trotzdem wurde Anfang Juni die Strasse am Julierpass durch einen Steinschlag verschüttet.

Eine essenzielle Verbindung ins Engadin wurde gekappt. Der Vorfall zeigt: Die Gefahr kann nicht immer gebannt werden. Auch an stark befahrenen Strassen wie der Julierpassstrasse nicht.

Die Julierstrasse bei Bivio ist verschüttet.
Legende: RTR/Federico Belotti

Die interaktive Gefahrenkarte des Kantons Graubünden zeigt: Es gibt nicht nur die grossen Gebiete wie Brienz oder Bondo im Bergell, die von Geröll fast oder teilweise verschüttet wurden. Jedes zehnte Gebäude im Kanton Graubünden steht in einer generellen Naturgefahrenzone. Auch Strassen sind betroffen.

Es wird weitere Steinschläge geben – die Frage ist nur, wo.
Autor: Christoph Nänni Bereichsleiter Geologie und Naturgefahren, Kanton Graubünden

Christoph Nänni ist beim Kanton Graubünden für Naturgefahren und Geologie zuständig. Er bezeichnet den Steinschlag an der Julierstrasse als mittelgrosses Ereignis. «Man weiss, dass es in Graubünden weitere solche Steinschläge geben wird. Die Frage ist nur, wo», sagt Nänni.

Angespannte Wochen im Val de Bagnes

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Auch im Wallis ist der Berg in Bewegung. Im Val de Bagnes mussten 30 Personen an Pfingsten wegen Murgängen ihre Häuser verlassen. Mitte Juni durften sie in ihre Häuser zurückkehren.

Der Kanton Graubünden setzt Kameras ein, die Hänge überwachen. Sie sind mit Lichtsignalanlagen gekoppelt. «Wenn Steine ins Rollen kommen, dann stellt das Lichtsignal auf Rot», sagt Christoph Nänni. So ein System ist zum Beispiel bei Sils-Baselgia im Engadin im Einsatz.

Sichern, was man sichern kann

Die Forschung sucht neue Ansätze, um die Strassen vor Steinschlag zu schützen. Die Fachhochschule Graubünden untersucht derzeit, wie stabil Holzstämme als Schutz gegen Steinschläge sind. «Zudem sollen bestehende Schutznetze mit Sensoren überwacht werden, damit sie nach einem Steinschlag angeschaut werden», sagt James Glover, der sich an der Fachhochschule Graubünden mit Schutzbauten in den Bergen beschäftigt.

Warntafel Steinschlag
Legende: Keystone/Gaetan Bally

Die Fachhochschule Graubünden bildet auch Ingenieure aus. Diese sollen künftig die Situationen einschätzen und beurteilen können. Die Risikobeurteilungen und Massnahmen erfolgen auf der Basis von VSS-Normen und den zugehörigen Schutzzielen. Die VSS ist die Normierungsorganisation im Strassen- und Verkehrswesen der Schweiz. Eine Strasse mit viel Verkehr muss beispielsweise besser geschützt werden als eine selten befahrene Strasse.

Rutschungen, Stürze oder Wasser – hier lauert Gefahr

Auch der Bund macht für die Nationalstrassen solche Risikoanalysen. Laut Astra-Mediensprecher Thomas Rohrbach sind 300 bis 400 Kilometer des 2300 Kilometer langen Nationalstrassennetzes Naturgefahren ausgesetzt. Die Hänge entlang der viel befahrenen Axenstrasse würden mit GPS-Sensoren auf Bewegungen überwacht.

Bei Simplon Dorf sei der Hang bis auf 3000 Meter über Meer hinauf verbaut worden, um Steinschläge bis auf die Strasse möglichst zu verhindern. Dabei werden Gefahren durch Steine, Schlamm oder Wasser gleichermassen beurteilt.

Klima ja – Permafrost nein

Wenn die Bündner Fachleute nach Ursachen für die Steinschläge suchen, dann wird schnell klar: Es ist nicht der Permafrost, der die Bündner Strassen gefährdet. «Permafrost gibt es in Gebieten ab 2800 Meter über Meer», sagt Christoph Nänni. «Permafrostgebiete sind relativ weit von Strassen entfernt.» Starkniederschläge könnten laut Nänni dagegen gefährliche Folgen haben.

Das Steinschlagrisiko auf Bündner Strassen ist kleiner als das Risiko eines Autounfalls.
Autor: Christoph Nänni Bereichsleiter Geologie und Naturgefahren, Kanton Graubünden

Das Risiko, wegen eines Steinschlags auf den Bündner Strassen zu verunfallen, schätzt Christoph Nänni vom Kanton als verhältnismässig klein ein. Das Risiko eines Autounfalls sei höher.

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SRF 4 News, 16.6.2025, 15:30 Uhr ; 

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