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Recht auf Bezahlungen gilt auch für Sexarbeiterinnen
Aus Tagesschau vom 04.02.2021.
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Strukturelle Diskriminierung Bundesgericht: Lohn für Sexarbeit kann eingefordert werden

Prostitution gilt nicht mehr als sittenwidrig. Deshalb ist Prostitutions-Prellerei nun rechtlich einklagbar.

Bei der Zürcher Anlaufstelle für Sexarbeiterinnen, Isla Victoria, traut Leiterin Beatrice Bänninger ihren Ohren kaum. Sie ist begeistert. Endlich habe das Bundesgericht seine Meinung geändert, sagt Beatrice Bänninger. «Es war während 79 Jahren ein Skandal. 79 Jahre nach Legalisierung der Prostitution haben wir endlich den Meilenstein, dass bei der legalen Tätigkeit als Sexarbeiterin der Lohn eingefordert werden kann.»

Sexarbeit muss nach dem neusten Bundesgerichtsurteil auf jeden Fall bezahlt werden.
Legende: Sexarbeit muss nach dem neusten Bundesgerichtsurteil auf jeden Fall bezahlt werden. Keystone

Bisher war es nämlich so: Wer ein Auto verkauft, oder einen Blinddarm operiert, der kann vor Gericht gehen, wenn der Kunde nicht bezahlt und kann dort den Lohn einklagen. Nur Prostituierte konnten das bisher nicht.

Steuern und AHV-Beiträge werden eingefordert

Das tönt absurd, gerade auch, weil Prostitution an sich legal ist, und Prostituierte auf ihren Lohn Steuern und AHV-Beiträge zahlen müssen. Der Grund für diese absurde Situation ist das Wort «sittenwidrig», das im Gesetz steht. Ist eine Abmachung nämlich sittenwidrig, ist sie ungültig.

Der konkrete Fall:

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Im konkreten Fall hatte der Mann 2016 in einem Internetinserat jungen Frauen einen Verdienst von 2000 Franken in Aussicht gestellt. Eine Interessentin meldete sich. Es wurde vereinbart, dass sie für 2000 Franken eine Nacht mit dem Mann verbringen würde, inklusive sexueller Dienste. Auf der Fahrt zum Hotel verlangte die Frau eine vorgängige Bezahlung. Wegen des Auftretens des Mannes und seiner Zusicherung, das Geld bei sich zu haben, liess sich die Frau auf eine nachträgliche Bezahlung ein. Dazu kam es nicht. Der Mann verliess das Hotelzimmer nach zweimaligem Geschlechtsverkehr, ohne dafür zu bezahlen.

Alle gerichtlichen Instanzen, vom Kreisgericht St. Gallen bis vorliegend zum Bundesgericht, kommen zum Schluss, dass dieses Vorgehen als Betrug zu qualifizieren ist. Der nun verurteilte Mann machte vor Bundesgericht geltend, dass der Prostitutionsvertrag sittenwidrig und damit kein rechtlich geschützter Anspruch auf ein Entgelt für die Sexarbeit bestehe.

Dieser Argumentation folgt das Bundesgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Entscheid nicht. Das Erwerbseinkommen einer Prostituierten sei rechtmässig anerkannt.

Sie existiert rein rechtlich gesehen also gar nicht. Und wo keine gültige Abmachung ist, kann man auch keinen Lohn einklagen. Ein Freier konnte sich bisher also davonmachen, ohne zu bezahlen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Seit dem 4. Februar 2021 ist dies nun anders. Das Bundesgericht hält nun erstmals fest: Prostitution gilt nicht mehr als sittenwidrig, das entspreche nicht mehr der heutigen Moral, sagen die Bundesrichterinnen und Bundesrichter.

«Bessere Lage der Frauen»

Dass Prostitution jetzt nicht mehr als sittenwidrig eingestuft wird, werde für die Frauen und Männer im Sexgewerbe einiges ändern, davon ist Beatrice Bänninger überzeugt: «Weil die Sittenwidrigkeit jetzt wegfällt, ist die Lage für Sexarbeitende ganz grundsätzlich viel besser.»

Und auch Christa Ammann von der Berner Fachstelle Xenia ist sich sicher, dass das Urteil das Selbstvertrauen der Sexarbeiterinnen stärkt. «Das Gericht anerkennt Sexarbeit als Arbeit. Das gibt eine gewisse Erleichterung und eine gewisse Normalisierung. Nun wissen die Sexarbeiterinnen, dass sie auf ihrem Geld beharren können und im Recht sind.»

Sie können einen Freier nun auch verklagen. Die Verhandlungsposition gegenüber den Freiern ist mit diesem Urteil nun endlich besser. Diese wüssten nun, Nichtbezahlen kann Konsequenzen haben.

Rendez-vous vom 04.02.2021

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